Sozialismus-Diskussion - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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284 Besprechungen<br />
fahrung der Schwangerschaft könne vielmehr als eine genuin weibliche von<br />
ebensoviel Stolz begleitet sein und ebensoviel Neid erwecken wie der Besitz eines<br />
Penis. Erikson meint, einen Beleg für diese These in dem Nachweis gefunden<br />
zu haben, daß kleine Mädchen in ihren Spielen die Erfahrung des Körperinnenraums<br />
symbolisch immer wieder betonen. während kleine Jungen dem äußeren<br />
Raum stärkere Beachtung schenken. Der unterschiedliche Aufbau dieser<br />
Spielräume scheine, so schreibt er, der Morphologie des Geschlechtsunterschieds<br />
zu entsprechen. Bei beiden Geschlechtern gebe es eine je verschiedene Grunderfahrung<br />
des menschlichen Körpers, die bis in die spätere Geschlechtsrollenidentität<br />
hineinreichen könne (nicht müsse). Sowohl Mead wie auch Erikson glauben,<br />
daß Freuds Diktum über die weibliche Sexualität, die Anatomie sei ihr<br />
Schicksal, in einem anderen Sinn wahr ist, als Freud meinte. Dennoch halten<br />
beide daran fest, daß bei der <strong>Theorie</strong>bildung auch die individuelle Entwicklungsgeschichte<br />
der weiblichen Persönlichkeit keineswegs vernachlässigt werden<br />
darf.<br />
Insgesamt zeigt der Band, daß die Angriffe seitens der Frauenbewegung die<br />
Psychoanalyse in zunehmenden Maße dazu zwingen, einige ihrer talmudisierten<br />
Konzepte einer <strong>kritische</strong>n Revision zu unterziehen. Es bleibt zu hoffen, daß ihr<br />
das gelingt. Der vorliegende Band bietet dazu allenfalls erste Ansätze, mehr<br />
nicht.<br />
Klaus Laermann (Berlin/West)<br />
Tinbergen, Elisabeth A., u. Nikolaas Tinbergen: E a r I y Chi I d h 0 0 d Auti<br />
sm. An Ethological Approach. Paul Parey, Berlin/West 1972 (56 S., br.,<br />
24,- DM).<br />
Anliegen der Publikation ist es, bisherige Autismusforschung mit ethologischer<br />
Methode zu konfrontieren. Dies aus einem doppelten Grund: Zum einen<br />
treten die als Kriterien für Autismus (im Sinne des Kanner-Syndroms) beschriebenen<br />
Verhaltensauffälligkeiten auch bei normalen Kindern auf, was ethologische<br />
Forschungsergebnisse bei normalen Kindern relevant für das Problem werden<br />
läßt, zum anderen formulieren die Autoren ein eher methodisches Interesse,<br />
insofern ethologische Methoden als Methoden der Mikroanalyse von Verhaltenssituationen<br />
in der Psychopathologie bisher wenig zur Anwendung gelangten, obwohl<br />
sie detailliertere und in Teilbereichen sinnvollere Beobachtung von autistischen<br />
wie normalen Kindern wie eine Analyse der Motivationskonflikte gewährleisten<br />
könnten. Am Verhalten normaler Kinder gegenüber Fremden werden<br />
(durch Bildmaterial belegt) Reaktionsweisen beschrieben, die in Beschreibungen<br />
autistischen Verhaltens als typisch benannt wurden. Anhand der gegebenen Beispiele<br />
werden in den folgenden Abschnitten Probleme der Klassifikation des Beobachteten<br />
insbesondere unter den Gesichtspunkten Komplexität und Ordnung<br />
diskutiert. An ethologischen Studien zum Kommunikationsverhalten von Möven<br />
wird die Methode demonstriert, indem Mikroeinheiten der Interaktion, d. h.<br />
ritualisierte Ausdrucksweisen, beschrieben werden, mittels derer Motivationskonflikte<br />
im Interaktionsverhalten der Möven sichtbar werden. In ähnlicher<br />
Weise lassen sich bei Kindern Interaktionsmuster im Verhalten gegenüber<br />
Fremden identifizieren und als Ausdruck von Motivationskont1ikten unterschiedlicher<br />
Stärke begreifen. Aus der Kenntnis solcher Strukturen wie entsprechender<br />
Interaktionsmuster zu den Eltern dürften Verhaltensstrategien in der<br />
Behandlung autistischer Kinder ableitbar sein, indem aus den Interaktionsritualen<br />
des Kindes Motivationskonflikte (insbesondere Angst) erschließbar werden<br />
DAS ARGUMENT 102/1977 ©