Sozialismus-Diskussion - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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292 Besprechungen<br />
auch die Gegenkräfte zur Nazipropaganda, der Kampf der KPD und der Antifaschisten<br />
zu ihrer Entlarvung, unerwähnt bleiben. Das bewirkt, daß durch die<br />
Auslassung wichtiger Aspekte das Buch nur zu Teilerkenntnissen führt.<br />
Klaus Scheel (Berlin/DDR)<br />
Soziale Bewegung und Politik<br />
Katsoulis, Ilias: So z i al i s mus und S ta a t. Demokratie, Revolution und<br />
Diktatur des Proletariats im Austromarxismus. Verlag Anton Hain, Meisenheim<br />
am Glan 1975 (448 S., br., 49,- DM).<br />
Austromarxismus - dieser Begriff erlebt seit mehreren Jahren eine Renaissance<br />
nicht nur in den Bundesrepubliken Deutschland und Österreich. Er bezeichnet<br />
die <strong>Theorie</strong> und z. T. auch die Politik der österreichischen Sozialdemokratie<br />
von der Zeit nach der Jahrhundertwende bis zum Zweiten Weltkrieg, wie sie vor<br />
allem von Max Adler, Otto Bauer und Karl Renner formuliert wurden. Das<br />
Kennzeichnende für den Austromarxismus ist der Versuch, aus einer Verschmelzung<br />
von ethischem und wissenschaftlichem <strong>Sozialismus</strong> heraus eine Politik<br />
des "dritten Weges" zwischen Reformismus und Leninismus zu entwickeln.<br />
Hier zeigen sich Parallelen zu aktuellen <strong>Diskussion</strong>en im Bereich der westeuropäischen<br />
Arbeiterbewegung als Ganzem, d. h. bei Sozialdemokraten wie Kommunisten.<br />
Gerade diese Parallelen lassen den Titel des vorliegenden Buches besonders<br />
reizvoll klingen. Freilich geht wie in vielen anderen Fällen - offenbar<br />
aus Gründen der Absatzstrategie - der Titel des Werkes ein ganzes Stück über<br />
seinen Inhalt hinaus; der Originaltitel dieser West-<strong>Berliner</strong> Dissertation heißt<br />
nämlich: "Der Begriff der Diktatur des Proletariats bei Max Adler".<br />
Katsoulis beginnt seine Untersuchung mit einem Abschnitt über den Begriff<br />
"Diktatur des Proletariats" bei Marx und Engels. Dabei kommt er zu dem Ergebnis,<br />
daß die von Marx und Engels oft erhobenen Forderungen nach dem<br />
"Zerbrechen" der Staatsmaschinerie aus der jeweiligen Situation zu verstehen<br />
seien und keine Allgemeingültigkeit beanspruchen, während es eine "Grundlehre"<br />
von Marx/Engels sei, daß zwischen dem Sturz der Bourgeoisie und der Ver<br />
Wirklichung des <strong>Sozialismus</strong> eine Übergangsperiode - "Diktatur des Proletariats"<br />
genannt - liegen müsse. Besonders betont Katsoulis jene Stellen bei den "Klassikern",<br />
in denen von der Bedeutung der demokratischen Republik und der Möglichkeit<br />
des friedlichen und parlamentarischen Weges zum <strong>Sozialismus</strong> die Rede<br />
ist. Danach betrachtet er Lenins Meinungen zur gleichen Frage, wobei er dessen<br />
Losung "Alle Macht den Räten" als Kursschwenkung begreift, die Lenin in der<br />
revolutionären Situation 1917 vorgenommen habe. Er kritisiert Lenins Interpretation<br />
des Begriffs "Diktatur des Proletariats" nicht, rügt aber unter Berufung<br />
auf Rosa Luxemburg die bolschewistische Praxis der Diktatur. Als weitere Hinführung<br />
zu seinem Thema gibt der Verfasser einen kursorischen Einblick in die<br />
Geschichte des Austromarxismus und der österreichischen Arbeiterbewegung.<br />
Hierbei wirft er - zu Recht - dem Lcipziger "Philosophischen Wörterbuch" eine<br />
verkürzte und irreführende Behandlung dieser Themen vor.<br />
Im Hauptteil der Arbeit referiert er Adlers Vorstellungen von proletarischer<br />
Diktatur vor allem anhand von dessen Arbeit über die "Staatsauffassung des<br />
Marxismus". Als Anlässe für Adlers Schrift nennt er die russische Revolution<br />
DAS ARGUMENT 102/1977 ©