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Sozialismus-Diskussion - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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Entwicklung sozialistischer Kräfte in der BRD 187<br />

betreffenden Landes mit ganz anderer Sachkenntnis und daher richtiger urteilen,<br />

und die Praxis in den sozialistischen Ländern zeugt davon, daß man bemüht ist,<br />

Fehler, Mängel, Schwierigkeiten in ständiger selbst<strong>kritische</strong>r Prüfung des Erreichten<br />

zu überwinden. Da in der <strong>Diskussion</strong> auch mit der Position anderer<br />

kommunistischer Parteien gegen die DKP argumentiert wird, sei mir erlaubt,<br />

Georges Marchais (Die demokratische Herausforderung, S. 142, Frankfurt/<br />

M. 1974) zu zitieren: "Alles, was darauf abzielt, die Errungenschaften des <strong>Sozialismus</strong><br />

zu verwischen oder zu leugnen, trägt effektiv zur Erhaltung der Herrschaft<br />

der Monopole über unser Volk bei. Umgekehrt wird mit der Verbreitung<br />

der Wahrheit über die sozialistischen Länder dieser Herrschaft und allen ,Rechtfertigungen'<br />

, die sie immer wieder ins Feld führt, ein schwerer Schlag versetzt."<br />

Was die Übertragbarkeit revolutionärer Erfahrungen betrifft, so hat kein Marxist<br />

jemals behauptet, es gäbe "ein verbindliches Modell der revolutionären Umwälzung".<br />

Aber von einer "prinzipiellen Unübertragbarkeit" revolutionärer Erfahrungen<br />

(Negt) ließe sich ja nur sprechen, wenn es in den sozialistischen Revolutionen<br />

und im Aufbau der sozialistischen Gesellschaft in den verschiedenen<br />

Ländern überhaupt keine gemeinsamen Züge gäbe, wenn da nur SpeZifisches und<br />

Individuelles existierte. Das Allgemeine ist In der Tat immer nur im Einzelnen<br />

und durch das Einzelne gegeben; aber es existiert, und da es existiert, muß man<br />

es begrifflich zu fassen suchen. Nur das historisch und national Spezifische anzuerkennen,<br />

ist logisch ebenso unhaltbar wie historisch. Es hat ja nur Sinn, von<br />

sozialistischen Umwälzungen zu sprechen, wenn man bereit ist, dieses Sozialistische<br />

als etwas allen diesen Umwälzungen Gemeinsames zu definieren. Sonst wird<br />

es zu einem leeren und überflüssigen ornamentalen Beiwort, und man müßte für<br />

jede dieser Revolutionen eine andere Definition finden. Sozialistische Umwälzungen<br />

und sozialistische Gesellschaften müssen folglich allgemeine Charakteristika,<br />

Gesetzmäßigkeiten einschließen, und nicht nur Besonderes und Einzelnes.<br />

Auch im historischen Sinne geht es nicht um ein "verbindliches Modell",<br />

sondern um diese allgemeinen Grundmerkmale, die es erlauben, von sozialistischen<br />

UmWälzungen bzw. Gesellschaften zu sprechen: politische Macht der Arbeiterklasse;<br />

gesellschaftliches Eigentum an den wichtigen Produktionsmitteln;<br />

Bündnis der Arbeiterklasse mit anderen Werktätigen usw. Nicht im Sinne eines<br />

sklavisch und mechanisch nachzuahmenden "Modells", sondern im Sinne eines<br />

klassischen Beispiels, in dem nicht nur speZifisch russische, sondern auch allgemeine<br />

Züge ihren Ausdruck fanden, sprach Lenin vom internationalen Charakter<br />

der Oktoberrevolution. Er tat es im gleichen Sinne, in dem Marx und Engels<br />

von den bürgerlichen Revolutionen Englands im 17. und Frankreichs im<br />

18. Jahrhundert als von Revolutionen "europäischen Stils" gesprochen hatten<br />

(Marx In der "Neuen Rheinischen Zeitung" vom 15. 12. 1848).<br />

Daher haben es Marx, Engels und Lenin in ihrem praktischen politischen<br />

Handeln nie verschmäht, sondern im Gegenteil für unabdingbar gehalten, aus<br />

vergangenen Revolutionen und revolutionären Bewegungen zu lernen, das Allgemeingültige<br />

in ihnen aufzuspüren und anzuwenden, aber eben konkret-historisch,<br />

ausgehend von einer realistischen Analyse der sozialen und politischen<br />

DAS ARGUMENT 102/1977 ©

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