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Sozialismus-Diskussion - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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Psychologie 285<br />

und erzieherisches Verhalten im Sinne systematischer Desensitivierung auch<br />

ohne verbale Kontrolle der Angsthierarchien möglich wird. Dies ist allerdings<br />

ein Aspekt, der nur am Rande benannt wird. Von zentralem Interesse ist es den<br />

Autoren vielmehr, Hypothesen zu formulieren, die die Alles-oder-Nlchts-Auffassung<br />

von Autismus als inadäquat herausarbeiten.<br />

Theoretisch interessant in dem präsentierten Modell ist die genetische Erklärung<br />

von Autismus im Sinne einer durch Kreisprozesse induzierten Schwel1enherabsetzung<br />

gegenüber furcht erregender sozialer wie physischer Umgebung (sowohl<br />

auf verhaltensspezifischer wie auf genereller Erregungsebene). Neben den<br />

sich hier eröffnenden Ansätzen, die außerordentlich unterschiedlichen für Autismus<br />

symptomatischen Auftretenszusammenhänge (z. B. zentrale Wahrnehmungsstörung<br />

oder schizophrenogene Familiensituation) im Rahmen eines genetischen<br />

Modells interpretieren zu können, scheint mir der Wert der Tinbergensehen<br />

Studie sich noch auf einen anderen, hier nicht gesehenen Zusammenhang<br />

zu erstrecken. In der ethologischen Analyse von Interaktionsritualen scheint unter<br />

Anwendung der historisch-materialistischen Methode der Psychologie (v gl.<br />

Leontjew) die Möglichkeit eines materialistischen Zugangs zur Mikroanalyse des<br />

symbolischen Interaktionismus (vgl. Goffman) eröffnet zu sein, die es auf dem<br />

Hintergrund der allgemeinen menschlichen in Abhebung von tierischen Interaktionsritualen<br />

in einem zweiten Schritt das SpeZifische menschlicher Interaktion<br />

auf der Mikroebene unter kapitalistischen Bedingungen herauszuarbeiten ermöglicht,<br />

ein Forschungszugang, der theoretisch wie praktisch (z. B. psychotherapeutische<br />

Intervention) von außerordentlicher Bedeutung sein dürfte.<br />

Wolfgang Jantzen (Bremen)<br />

Laing, Ronald D., u. Aron Esterson: W ahn s i n nun d Farn i I i e. Familien<br />

von Schizophrenen. Kiepenheuer & Witsch Verlag, Köln 1975 (320 S., br.,<br />

28,- DM).<br />

Die Autoren des hier besprochenen Buches, das in England 1964 erschien und<br />

1970 und 1971 wiederaufgelegt wurde, sind vielen deutschen Lesern, die sich für<br />

das behandelte Gebiet interessieren, seit den 60er Jahren bekannt, vor allem Ronald<br />

D. Laing durch seine Werke "Das geteilte Selbst", "Das Selbst und die Anderen"<br />

und "Die Politik der Familie".<br />

Im vorliegenden Buch fordern die Autoren ihre Leser auf, herkömmliche Erklärungen<br />

für die Entstehung von Geisteskrankheiten in Anführungszeichen zu<br />

setzen, weil sie meinen, an hand ihrer Untersuchungen von 11 Familien den unvoreingenommenen<br />

Lesern zeigen zu können, daß der "Wahnsinn" verständlich<br />

ist, wenn man das Eingebetletsein des Patienten in seinen nächsten sozialen Bezügen<br />

berücksichtigt. Die Verwalter der Psychiatrie seien eher Vertreter eines<br />

"Wissenswahns" (M. Siiralla), der u. a. dadurch gekennzeichnet sei, daß die<br />

Schizophrenie fraglos als Tatsache angenommen wird. Sie soll das Ergebnis eines<br />

pathologischen Prozesses sein, sei es, daß sie auf organischer, psychischer oder<br />

sozialer Grundlage beruhe.<br />

In diesem Aufzeigen der sozialen Verständlichkeit schizophrenen Verhaltens<br />

liegt die wesentliche Bedeutung des Buches. Jedoch verbinden die Autoren die<br />

von ihnen vollzogene und geforderte Verlagerung von einem klinischen zu einem<br />

SOZial-phänomenologischen Standpunkt mit dem Anspruch, den klinischen<br />

Ansatzpunkt schlechtweg verwerfen und für ihre eigene Untersuchung vollstän-<br />

DAS AROIlMFNT ln'J/10'7"<br />

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