Sozialismus-Diskussion - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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Sprach- und Literaturwissenschaft 259<br />
Die ungleiche - thematische und theoretische - Gewichtung der Beiträge mag<br />
man dem intendierten Zeitschriftencharakter der von Mattenklott/Scherpe hrsg.<br />
Reihe zugute halten; störend und ärgerlich ist die massierte Ansammlung von<br />
Druckfehlern.<br />
Vaßen bekennt sich zur parteilichen Auswahl seiner Textdokumentation -<br />
Umfang und Abgrenzung sowie die Gliederung nach Gattungen war vorgegeben.<br />
Im Vordergrund stehen die fortschrittliche bürgerliche und die ersten Ansätze<br />
sozialistischer Literatur (0). Aber gerade der besonders betonte Neuansatz der<br />
ästhetischen <strong>Theorie</strong> nach 1830 (22 ff.) wird kaum dokumentiert. Auch bei den<br />
"ersten Zeugnissen des Proletariats sowie der verschiedenen kommunistischen<br />
Gruppierungen" (10) geht Vaßen nicht über Bekanntes (Dronke, Engels, Heß,<br />
Marx, Weberlieder, Weerth, Weitling, W. Wolff u. einige Flugschriften von<br />
1848) hinaus.<br />
Ein den einzelnen Texten vorangestellter Kommentar informiert über Autoren<br />
und Textzusammenhänge. Der Band scheint mir für die angestrebte Zielgruppe,<br />
Schüler und Studenten, als Einführung sinnvoll; zumal wegen der - trotz mancher<br />
Verzerrungen, z. B. des Jungen Deutschland (26-27) - lesenswerten Einleitung.<br />
Hans-Joachim Ruckhäberle (Pfaffenhofen/Ilm)<br />
Mosler, Peter: Ge 0 r g B ü c h ne r s "L e 0 n c e und L e n a". Langeweile<br />
als gesellschaftliche Bewußtseinsform. Bouvier Verlag Herbert Grundmann,<br />
Bonn 1974 (85 S., br., 14,50 DM).<br />
Bis auf einen schmalen Abschnitt zum "sozialen Realismus" (59-68) geht die<br />
Darstellung auf das Stück als ästhetische Objektivation kaum ein. Was soll aber<br />
ein historischer Abriß zur "Gesellschaft des Übergangs" leisten, der vor allem<br />
kursorisch und ungenau ist? Ist z. B. Büchner tatsächlich neben Weitling zu stellen<br />
(20121)? Ist es wahrscheinlich, daß Büchner die grundlegenden Gedanken<br />
von Wilhelm Schulz's 1843 veröffentlichter Schrift "Die Bewegung der Produktion",<br />
die Marx würdigt, kennt? (Schulz rezipiert darin die neuere franZÖSische<br />
<strong>Theorie</strong>, z. B. Proudhon, und entwickelt das Programm einer sozialistischen literatur).<br />
Hat Büchner 1831 Buonarroti studiert? Genauer Reflex auf die wirklichen<br />
Verhältnisse hätte verhindern können, daß Mosler im weiteren Verlauf<br />
Langeweile fast nurmehr auf die Entfremdung in der einsetzenden kapitalistischen<br />
Produktionsweise bezieht, nachdem er Langeweile als gesellschaftliche Bewußtseinsform<br />
einsichtig mit den unausgebildeten Klassenantagonismen in<br />
Deutschland und der damit verbundenen Ohnmacht jeder Klasse, zur Herrschaft<br />
zu gelangen, in Verbindung gebracht hatte. Dementsprechend interpretiert Mosler<br />
die Automaten Büchners als Sinnbilder des entfremdeten Menschen - (gut in<br />
diesem Zusammenhang das Aufzeigen der Personen als ökonomische Charaktermasken<br />
[49/50]). Dabei wird verkürzt, daß für Büchner im Bild der Marionette<br />
die Determinierung des Menschen und der Verhältnisse weiterreicht. Die Interpretation<br />
hätte hier einzusetzen bei dem mechanischen Materialismus Büchners,<br />
den Mosler durchaus sieht (56-58). Daher die Auffassung vom "Fatalismus der<br />
Geschichte", daher die <strong>kritische</strong> Negation, die nicht konkrete Utopie werden<br />
kann. Von daher ergeben sich wesentliche Ansätze zur Analyse des Büchnersehen<br />
"Realismus", zu seinen Widersprüchen, seinem Unvermögen, die Verhältnisse<br />
über die "Empörung" hinaus veränderbar zu gestalten; Langeweile und<br />
Stillstand stehen eben auch für das Fehlen einer Perspektive.<br />
Hans-Joachim Ruckhäberle (Pfaffenhofen/Ilm)<br />
DAS ARGUMENT 10"'.77 '"