Sozialismus-Diskussion - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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220 A/berto Scarponi<br />
daß dieses Illusorische in umgekehrtem Verhältnis zur Entwicklung der Demokratie<br />
steht. Man kann sagen, daß es Aufgabe der Arbeiterklasse ist, im Interesse<br />
aller werktätigen Massen und unter der Perspektive einer Überwindung der gegenwärtigen<br />
bürgerlichen Ordnung dafür zu kämpfen, daß die demokratischen<br />
Prinzipien einen realen Inhalt erhalten. Die Freiheit des Denkens und der Meinungsäußerung,<br />
das Koalitionsrecht und die persönlichen Rechte, das ganze System<br />
der staatsbürgerlichen und politischen Rechte, das von der bürgerlichen<br />
Gesellschaft entwickelt wurde, und die dazugehörigen demokratischen <strong>Institut</strong>ionen<br />
sind eine positive Hinterlassenschaft, deren Erbe objektiv die Arbeiterklasse<br />
wird, ebenso wie sie objektiv Erbe der materiellen Produktivkräfte wird.<br />
Diese Freiheiten, Rechte und <strong>Institut</strong>ionen sind Errungenschaften, in denen die<br />
Arbeiterklasse äußerst wichtige Kampfinstrumente findet, aber auch historische<br />
Werte, die verteidigt werden müssen. Unter der Perspektive des Aufbaus einer<br />
Gesellschaft, deren Endzweck die volle formale und reale Feiheit aller ist, ergibt<br />
sich das organische und nicht aus Zweckmäßigkeitsgründen vorgeschobene Interesse<br />
der werktätigen Massen, das zu verteidigen, zu stärken und zu entwikkein,<br />
was an diesem Staat demokratisch ist. Dazu gehören auch die parlamentarischen<br />
<strong>Institut</strong>ionen, deren Kontrollbefugnisse über die Exekutive ausgedehnt<br />
werden müssen. In Italien ist schon ein recht tiefgreifender Prozeß in Gang gekommen,<br />
der darauf abzielt, die politische Mach! (sowie die Macht der Verwaltung)<br />
in gewählten demokratischen <strong>Institut</strong>ionen (Regionen, Provinzen, Kommunen),<br />
die die Kontrolle und die Beteiligung des Volks am staatlichen Leben<br />
erweitern, zu "dezentralisieren". Das Verhältnis zwischen den demokratischen<br />
<strong>Institut</strong>ionen des Staates und dem Leben und dem organisierten Kampf der<br />
werktätigen Massen kann nicht nur ein Verhältnis der Repräsentanz sein, auch<br />
wenn diese bei konsequent revolutionären Parteien liegt. Das würde in der Tat<br />
bedeuten, in die Illusion der bürgerlichen Demokratie zu verfallen, es existiere<br />
ein "parlamentarischer Weg" zum <strong>Sozialismus</strong>. Die sogenannte Strategie der<br />
51 % ist eine bloße parlamentaristische Illusion, auch wenn die Eroberung der<br />
parlamentarischen Mehrheit durch die Parteien der Linken für die Volksrnassen<br />
eine weitere wichtige Machtpositon bedeuten würde.<br />
Die Handlungsfähigkeit dieser demokratischen <strong>Institut</strong>ionen rührt zum geringsten<br />
Teil von formalen juristischen Garantien her; sie erhalten erst Kraft und Lebensenergie<br />
aus dem direkten Kontakt mit den demokratischen Organen, die die<br />
Bewegung der Massen selbständig hervorbringt. Hieraus ergibt sich die wesentliche<br />
Funktion der Parteien, der Gewerkschaften mit ihrer autonomen Aktion sowie<br />
der verschiedenen Massenbewegungen (etwa der Frauen, der Schüler, Studenten<br />
und Jugendlichen) und demokratischen Basisorgane (etwa Fabrikräte,<br />
Wohngebietskomitees, Gemeindeverbände, Schulräte usw.), die darauf abzielen,<br />
die Präsenz der Massen im öffentlichen Leben zu vergrößern und sie in einem<br />
System dezentralisierter Demokratie zu institutionalisieren.<br />
Der diesem Prozeß inhärente Pluralismus ist nicht etwas, das man nach Belieben<br />
akzeptieren oder ablehnen kann; er ist ein Faktum, das man in Rechnung<br />
stellen muß, um so mehr, als er in Italien tiefe historische Wurzeln und Ursachen<br />
sozialer und kultureller Art hat. Es geht darum, diesen Pluralismus in ein<br />
korrektes dialektisches Verhältnis mit der politischen Synthese, die auf natio-