Sozialismus-Diskussion - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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Zur Politik der spanischen KP 231<br />
industrie, der Stahl produktion, der Petrochemie- den Leninschen Gedanken<br />
klarzumachen, daß "die Arbeiteraristokratie gerade dadurch entstanden ist, daß<br />
sie ,ihre' Bourgeoisie bei der imperialistischen Eroberung und Unterdrückung<br />
der ganzen Welt unterstützte, um sich auf diese Weise bessere Löhne zu sichern"6.<br />
Da der spanische Kapitalismus ein abhängiger, also ein vom internationalen<br />
Monopolkapital und den multinationalen Konzernen ausgebeuteter Kapitalismus<br />
ist, schreibt der spanische Arbeiter seinen jetzigen Wohlstand einzig und<br />
allein der eigenen Arbeit zu und ist gar nicht geneigt, durch eine radikale revolutionäre<br />
Politik diesen Wohlstand zu gefährden. Als Lenin 1920 die Bedingungen<br />
für die Aufnahme in die Kommunistische Internationale festlegte, mußte er<br />
ganz entschieden gegen Serrati und Crispien auftreten, die behauptet hatten, eine<br />
Revolution könne man nur dann durchführen, wenn sie die Lebenshaltung der<br />
Arbeiter "nicht allzusehr" verschlechtere. Lenin sagte dazu:"Ich frage, ist es<br />
statthaft, in einer kommunistischen Partei in einem solchen Ton zu reden? Das<br />
ist konterrevolutionär. .. Der Sieg der Arbeiter ist unmöglich ohne Opfer, ohne<br />
eine zeitweilige Verschlechterung ihrer Lage ... Eine Arbeiteraristokratie, die vor<br />
Opfern zurückscheut, die eine ,allzu große' Verarmung während des revolutionären<br />
Kampfes fürchtet, darf der Partei nicht angehören. Sonst ist eine Diktatur<br />
unmöglich, besonders in den westeuropäischen Ländern"7. Wäre also die Streichung<br />
der Diktatur des Proletariats aus dem strategischen Konzept der westeuropäischen<br />
Parteien, wäre ihre Kompromißbereitschaft mit bestimmten Elementen<br />
des nationalen Kapitals und mit den Kräften der liberalen Bourgeoisie eine Revision<br />
des Leninschen Konzepts? Streng genommen, ja. Trotzdem sind alle Parteien,<br />
darunter auch die KPdSC, darüber einig, daß heute eine Strategie des revolutionären<br />
Kampfes, die auf eine gewaltsame Umwälzung der bestehenden ökonomischen<br />
und sozialen Verhältnisse in den hochindustrialisierten Ländern abzielt,<br />
utopisch und "linksradikal" ist, und praktisch nur von den sogenannten maoistischen<br />
Gruppen und Grüppchen progagiert wird.<br />
Wenn man gewisse Korrekturen oder Änderungen des Leninismus als unvermeidlich<br />
betrachtet (z. B. in der Parteiorganisation, in der Bündnispolitik, in der<br />
Umformulierung der Frage von der Diktatur des Proletariats, in der revolutionären<br />
Machtübernahme, in der Koexistenz mit Formen und Strukturen des nationalen<br />
Kapitals, usw.) und eine Neuorientierung der internationalen Politik der<br />
Kommunistischen Parteien längst als notwendige Antwort auf die veränderte internationale<br />
Lage bewertet und entsprechend eingeleitet wurde, können diese<br />
Überlegungen nicht ohne theoretische Verarbeitung bleiben. Man muß sich dieser<br />
veränderten Gesamtlage bewußt werden, soll sie nicht zu einer gefährlichen<br />
Trennung zwischen postulierten Prinzipien und konkreter politischer Praxis führen.<br />
Das gilt auch für das Verhältnis zwischen verschiedenen kommunistischen<br />
Parteien. Es genügt keineswegs, neue strategische Prinzipien feierlich zu proklamieren,<br />
ihre konkret-praktische Einlösung in der Politik der Parteien aber mißtrauisch<br />
zu betrachten oder gar zu kritisieren (auch wenn diese Kritik niemals<br />
"offiziell" formuliert wird). Entweder sollten die Presseorgane, die in der breiten<br />
Basis der Parteien tatsächlich geltende Meinung ausdrücken, oder die Parteileitung<br />
alles daran setzen, damit der zwischen der offiziellen Haltung der Partei<br />
und den privaten Meinungen ihrer Mitglieder bestehende Zwiespalt überwunden<br />
DAS ARGUMENT 102/1977 ©