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Sozialismus-Diskussion - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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248 Besprechungen<br />

keil als die eigentlichen Wissenschaften angesehen wurden. Die Wissenschaftstheorie<br />

analysiert und rekonstruiert die methodischen Schritte, die das wissenschaftliche<br />

Verfahren ausmachen, wie Beschreibung von Tatsachen, Definitionen,<br />

Hypothesen- und <strong>Theorie</strong>nbildung.<br />

Der erste Aufsatz von Elisabeth Ströker behandelt das Problem der Geltungsbegründung<br />

wissenschaftlicher <strong>Theorie</strong>n. Im allgemeinen versteht man unter<br />

Geltung einer wissenschaftlichen <strong>Theorie</strong> die Bewährung an der Empirie, doch<br />

sind die hierbei verwendeten Begriffe wie <strong>Theorie</strong>, Bewährung und Empirie keineswegs<br />

eindeutig. Während die moderne Wissenschaftstheorie, die mit dem<br />

Wiener Kreis begann, im wesentlichen sprachanalytische <strong>Theorie</strong> der Wissenschaften<br />

ist, lassen die älteren wissenschaftstheoretischen Auffassungen, die geprägt<br />

sind durch den Empirismus von J. St. MiII, den Forschungsprozeß, der zur<br />

Entdeckung allgemeiner Naturgesetze führen sollte, mit dem Sammeln von Beobachtungsdaten<br />

beginnen. Zwar bedient man sich in der Wissenschaft immer<br />

noch induktiver Verfahren, doch weiß man inzwischen, daß durch Induktion<br />

nicht die absolute, sondern nur die hypothetische Geltung der Gesetze gesichert<br />

wird. Ein wichtiges Modell zur Klärung der Geltungsproblematik bietet Poppers<br />

Wissenschaftstheorie. Hiernach finden Beobachtungen immer nur in einem bestimmten<br />

Erwartungshorizont statt und dienen der deduktiven Nachprüfung von<br />

<strong>Theorie</strong>n, die stets dem Risiko des Scheiterns in der Erfahrungswelt auszusetzen<br />

sind. Sie müssen also ständig überprüft werden und sollten auch in der Konkurrenz<br />

mit anderen <strong>Theorie</strong>n bestehen können. Allerdings sieht es in der Praxis oft<br />

ganz anders aus. Da geht es weniger um Falsifizierbarkeit als um die Einschränkung<br />

der Geltung von <strong>Theorie</strong>n. Auch sind Wettbewerbs situationen, wie sie sich<br />

Popper vorstellt, seltener gegeben. Durchweg versucht man, mit Hilfe von Zusatzhypothesen<br />

eine ins Wanken geratene <strong>Theorie</strong> zu retten. Die <strong>Theorie</strong>n werden<br />

eher verbessert oder verändert als gänzlich verworfen. Wird aber tatsächlich<br />

einmal eine <strong>Theorie</strong> preisgegeben, so geschieht das meistens, weil sie inzwischen<br />

entbehrlich, aber nicht weil sie falsifiziert wurde. Daß sich Popper im Grunde genommen<br />

auf die außerordentliche Forschung beschränkt und das Phänomen der<br />

normalen Wissenschaft und damit auch den Unterschied zwischen beiden Bereichen<br />

vernachlässigt, macht auch der Aufsatz von Wolfgang Stegmüller deutlich.<br />

Stegmüller geht dabei von Kuhns Werk über wissenschaftliche Revolutionen<br />

aus. Kuhn hat sich bekanntlich in seinen wissenschaftstheoretischen Studien<br />

sehr polemisch mit Poppers <strong>Theorie</strong>n, vor allem mit seinem Rationalitätsmonismus,<br />

auseinandergesetzt und hat nach Meinung vieler Wissenschaftler die<br />

Grundvoraussetzung jeder Wissenschaft, nämlich ihre Rationalität. bestritten.<br />

Auch Stegmüller fragt nach dem Charakter Wissenschaftlicher Rationalität und<br />

schlägt vor, die monistische Rationalitätsauffassung durch eine dualistische zu<br />

ersetzen, da der normale Wissenschaftler andere Tätigkeiten verrichtet als der<br />

außerordentliche Forscher. Gegen Popper ist vor allem einzuwenden, daß eine<br />

physikalische <strong>Theorie</strong> gegen potentielle Falsifikation durchaus immun sein kann<br />

und nicht erst durch intellektuelle lJnredlichkeit, wie Popper gerne unterstellt,<br />

gewaltsam immunisiert werden muß. Oft liegt es einfach an der Unfähigkeit des<br />

Wissenschaftlers, diese <strong>Theorie</strong> so zu erweitern, wie die richtige Lösung es erfordert.<br />

Ferner ist zu bedenken, daß normale Wissenschaftler bereits über vorgegebene<br />

<strong>Theorie</strong>n verfügen, die sie allenfalls ergänzen können. Kommt ein Wissenschaftler<br />

mit den ihm gegebenen <strong>Theorie</strong>n nicht zurecht, seinem Handwerkszeug,<br />

und kann er auch keine besseren finden, so wäre ein Berufswechsel der beste<br />

Ausweg. Im allgemeinen wird der Widerspruch, der zwischen Geselz und Er-

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