02.03.2014 Aufrufe

Sozialismus-Diskussion - Berliner Institut für kritische Theorie eV

Sozialismus-Diskussion - Berliner Institut für kritische Theorie eV

Sozialismus-Diskussion - Berliner Institut für kritische Theorie eV

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Philosophie 249<br />

fahrung auftritt, der Messung angelastet. Völlig verfehlt wäre es - und das wäre<br />

die Konsequenz, wenn man Poppers Meinung rigoros vertritt -, den normalen<br />

Wissenschaftler von vornherein als einen un<strong>kritische</strong>n und bornierten Dogmatiker<br />

zu betrachten und in ihm einen Prototyp un<strong>kritische</strong>r Einstellung zu erblikken.<br />

Nach diesen mehr allgemein wissenschaftstheoretischen Aufsätzen, die zugleich<br />

die besonderen Beziehungen zwischen Naturwissenschaft und Wissenschaftstheorie<br />

deutlich machen, kommen die Vertreter einzelner Wissenschaften<br />

zu Wort, die ihre Disziplinen vorstellen und ihre begrifflichen und methodischen<br />

Voraussetzungen diskutieren, womit sie zugleich die Aufgabe der Philosophen<br />

übernehmen. H. Kleinewefers fragt nach der Bedeutung wissenschaftstheoretischer<br />

Probleme für die Sozialwissenschaften und stellt auf diesem Gebiet ein<br />

wissenschaftstheoretisches Chaos fest. Er macht mit den einzelnen Disziplinen<br />

der Sozialwissenschaft bekannt und erörtert die grundlegenden Fragen, die hier<br />

gestellt werden. So folgt auf die Frage "was ist~" die Beschreibung, auf die Frage:<br />

"warum ist es?" die Analyse. Beide aber, Beschreibung und Analyse, bilden<br />

die Basis für Kritik und Utopie, die sich in den Fragen: "warum ist etwas?" und<br />

"wie könnte es anders sein')" niederschlagen. Das sind jedoch Fragen, die sich<br />

ausschließlich empirisch orientierte Sozialwissenschaftler gar nicht mehr stellen.<br />

Wichtiger aber als die Begründung der Phänomene - eine in den Sozialwissenschaften<br />

ohnehin recht prekäre Angelegenheit - sollte der SozialwissenschaftIer<br />

das Entdecken erachten, um nicht seine praktische Aufgabe zu verfehlen, zumal<br />

Auseinandersetzungen und Begründungen nie zur Wahrheit führen, sondern<br />

höchstens Vorurteile und Dogmatismus verhindern helfen. Hans Schäppi dagegen<br />

beklagt den Funktionsverlust historischen Wissens, den damit verbundenen<br />

Prestigeverlust der historischen Wissenschaften und die allgemeine Enthistorisierung<br />

des Denkens und der Wissenschaften. Das ist um so bedauerlicher, als<br />

die Gegenwart in ihrer Wirklichkeit nur erkannt werden kann, wenn man sie<br />

auch als Resultat ihres Entstehungszusammenhanges begreift. Vergangenheit bestimmt<br />

als Tradition ebenfalls unser Denken und Handeln und geht in das<br />

Selbstverständnis jeder gesellschaftlichen Gruppe ein. Erst die <strong>kritische</strong> Auseinandersetzung<br />

mit der Tradition kann ihre Macht brechen und ist darum unabdingbare<br />

Voraussetzung jeder wirklichen Selbstbestimmung. Der Historiker ist<br />

heute nicht nur auf methodischer Ebene, sondern auch in Fragen der <strong>Theorie</strong><br />

auf die Zusammenarbeit mit den SOZialWissenschaften, insbesondere der Ökonomie<br />

und der Soziologie angewiesen. Über metahistorische Fragen gibt es grundsätzliche<br />

Meinungsverschiedenheiten. Ein flexibler, kritisch verstandener marxistischer<br />

Ansatz bietet nach Meinung Schäppis dem Historiker Vorteile verschiedener<br />

Art. Er ermöglicht die Erforschung historischer Teilbereiche und eine synthetisierende<br />

Betrachtungsweise gleichzeitig; der Historiker wird sensibel für vorhandenes,<br />

oft verborgenes Konfliktmaterial und kann zu seinem eigenen oft trügerischen<br />

Vorverständnis ein <strong>kritische</strong>s Verhältnis entwickeln.<br />

Christian Scharfetter beschäftigt sich mit dem wissenschaftlichen Tun in der<br />

Medizin. Nach Herbert Zuber nimmt die Biologie, sobald der Mensch in die Forschung<br />

einbezogen wird, vor allem im Grenzbereich zwischen dem Physischen<br />

und dem Psychisch-Subjektiven, eine Mittlerrolle zwischen den exakten Natur­<br />

Wissenschaften und den Geisteswissenschaften ein und könnte durchaus einen<br />

Beitrag zum Selbstverständnis des Menschen leisten. Die Ingenieurwissenschaft<br />

pflegt, wie Walter Traupel zu Recht vermerkt, über sich nicht nachzudenken, da<br />

sie nach außen lebt. Sie ist bestrebt, Dinge zu schaffen, die funktionieren und<br />

DA" AR{i-TTMJ:NT 1(\')/1Q77<br />

IP\

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!