Sozialismus-Diskussion - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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179<br />
Josef Schleifstein<br />
Bemerkungen zur Entwicklung der sozialistischen Kräfte<br />
in der Bundesrepublik<br />
1.<br />
Die der DKP angehörenden oder ihr nahestehenden Marxisten anerkennen die<br />
Notwendigkeit der Zusammenarbeit von Kommunisten, Sozialdemokraten und<br />
parteilosen Sozialisten unterschiedlicher Richtungen nicht nur theoretisch, sondern<br />
diese Zusammenarbeit bildet für sie einen kategorischen Imperativ ihrer<br />
heutigen wie ihrer zukünftigen Praxis. Die Kommunisten der Bundesrepublik<br />
haben das in vielen Bewegungen der Vergangenheit - in der Bewegung gegen<br />
die Atomrüstung, im Kampf gegen die Notstandsgesetze, in Streik- und Lohnkämpfen,<br />
in der studentischen Bewegung - bewiesen, und zahlreiche Gewerkschafter,<br />
Sozialdemokraten, Christen haben die Mitglieder der DKP in solchen<br />
Bewegungen als loyale und aktive Partner kennengelernt. Die DKP führt eine<br />
politische und theoretische Auseinandersetzung mit der offiZiellen sozialdemokratischen<br />
Politik und Ideologie, auch mit den Positionen etwa der Jungsozialisten<br />
oder linkssozialistischer Gruppierungen. Aber es gibt keinerlei Verbote, Verdikte<br />
und Ausschlußdrohungen gegen <strong>Diskussion</strong> und Zusammenarbeit, auch<br />
nicht mit denen, deren Praxis und <strong>Theorie</strong> sie zu rechten Sozialdemokraten<br />
stempelt. Dies muß gesagt werden, weil die in der redaktionellen Ankündigung<br />
der <strong>Diskussion</strong> erwähnten "Chancen der Zusammenarbeit" naturgemäß durch<br />
die Existenz massiver Verbote und Ausschlußdrohungen innerhalb der SPD wesentlich<br />
beeinflußt werden.<br />
Ausgangspunkt der <strong>Diskussion</strong> könnte der Gedanke von Marx sein, den er<br />
1875 im Zusammenhang mit der Kritik des Gothaer Programmentwurfs vor dem<br />
Vereinigungsparteitag der deutschen Sozialdemokratie geäußert hat, daß ,jeder<br />
Schritt wirklicher Bewegung" wichtiger ist "als ein Dutzend Programme". Man<br />
unterschätzt die Bedeutung theoretischer <strong>Diskussion</strong> und Auseinandersetzung<br />
nicht im mindesten, wenn man sagt, daß im gegenwärtigen Entwicklungsstadium<br />
der Arbeiterbewegung und speziell der Kräfte, die sich bewußt als Sozialisten<br />
verstehen, die in gemeinsamen Interessen begründete praktische Zusammenarbeit,<br />
die Schritte und Fortschritte in der "wirklichen Bewegung" ermöglichen<br />
und fördern würden, weitaus wichtiger sind als der in einem so frühen Stadium<br />
(ohne längere gemeinsame praktische Erfahrungen) unvermeidlich zum Scheitern<br />
verurteilte Versuch, sich in den grundSätzlichen theoretisch-politischen Fragen,<br />
dazu in einer <strong>Diskussion</strong> unter Intellektuellen, zu verständigen. Auch das<br />
sollte nicht mißverstanden werden als Ablehnung oder Geringschätzung einer<br />
solchen <strong>Diskussion</strong>. Es soll nur den Primat der politischen Praxis auch für den<br />
Prozeß der Überwindung grundSätzlicher politisch-theoretischer Meinungsverschiedenheiten<br />
unterstreichen. Denn nur Versuche und Erfahrungen gemeinsamer<br />
Praxis können die theoretische <strong>Diskussion</strong> von Vorurteilen und Vorbehal-<br />
DAS ARGUMENT 10211977 ©