Sozialismus-Diskussion - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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276 Besprechungen<br />
viduen gehe es der einzelnen Persönlichkeit um jeweils konkrete Widersprüche<br />
zwischen der eigenen Erfahrung und dem Gesamtwissen der Gesellschaft. Sogar<br />
für verschiedene Individuen soll die Allgemeinbildung verschieden ausfallen. Der<br />
sowohl quantitativ wie qualitativ dynamische Faktor sei aber, selbst von der Seite<br />
der Allgemeinbildung betrachtet, die spezie1/e Bildung. In ihr allein geschehe<br />
der Erkenntniszuwachs und die Denkveränderung. Trotzdem ermögliche gerade<br />
die Allgemeinbildung die Dynamik der speziellen Bildung. Als "Ruhe-Pol" stabilisiere<br />
und stütze sie mit ihrer Horizontbildung den Erkenntnisprozeß. Das heißt<br />
gerade, "daß man im Lernprozeß den Intellekt mit Widersprüchen konfrontieren<br />
und ihn lehren muß, die Widersprüche zu lösen" (158). Die Vielfalt und Veränderlichkeit<br />
der erforderlichen Fachkenntnisse lasse nicht nur die Bedeutung der<br />
Allgemeinbildung gesetzmäßig zunehmen; auch ihre Struktur ändere sich beständig.<br />
"Allgemeinbildung trägt daher keinen konservativen Charakter, sondern<br />
ist das konstituierende Moment im gesamten Bewegungsprozeß der Bildung"<br />
(141). Trotzdem, "so progressiv daher bewußt strukturierte Allgemeinbildung<br />
immer erscheinen mag, sie enthält dennoch Fesseln, die die folgende Generation<br />
zu sprengen hat, will sie mit den objektiven Entwicklungstendenzen Schritt halten"<br />
(153).<br />
Allgemeinbildung soll also individuell, generations- und arbeitsspezifisch und<br />
dabei allseitig sein, die dauerhafte Veränderlichkeit. Das ist als Programm die bewußte<br />
Aufhebung der Antinomien der aufklärerischen wie der humanistischen<br />
Pädagogik. Allerdings bleibt das Programm abstrakt, wenngleich mit der negativen<br />
Konkretion beständiger <strong>kritische</strong>r Anspielungen auf den tatsächlichen pädagogischen<br />
Betrieb in der DDR (60, 121 ff., 133, 141, 144, 149- 159, 167, 176);<br />
daß den jungen Generationen der Weg zur Selbstverwirklichung wie zum <strong>Sozialismus</strong><br />
nicht so zu ermöglichen sei, ist fortwährend zwischen den Zeilen lesbar.<br />
Wessei, eigentlich kein Pädagoge, versucht aus seiner "Spezialbildung" eine <strong>Diskussion</strong><br />
über die Allgemeinbildung in Gang zu setzen, für die zur Zeit in der<br />
DDR gewisse Voraussetzungen vorhanden sind. Mehr will und kann das Buch<br />
nicht sein. Man kann dem Verfasser nur Erfolg bei dieser Aufgabe wünschen. In<br />
den kapitalistischen Ländern kann man sich solche Aufgaben nicht einmal stellen.<br />
Jose Maria Ripalda (Madrid)<br />
Heinze. Thomas: U n t e r r ich tal s so z i ale Si t u at ion. Zur Interaktion<br />
von Schülern und Lehrern. Juventa Verlag, München 1976 (179 S., br.,<br />
16,- DM)<br />
Kounin. Jacob S.: Tee h n i k end e r K las sen fü h run g. Verlag Huber/<br />
Klett, Bern-Stuttgart 1976 (176 5., br., 19,- DM).<br />
Beide Arbeiten sind aus dem Bereich der Lehrer-Schüler-Interaktion und befassen<br />
sich mit den sogenannten Disziplinproblemen. Sie enthalten empirische<br />
Untersuchungsergebnisse und sind für derzeitige und künftige Lehrer relevant.<br />
Der theoretisch-methodische Forschungsansatz und die Informationen und<br />
Überlegungen der zwei Autoren sind hingegen verschieden.<br />
Heinze faßt "Unterricht als Kommunikations- und Interaktionsprozeß ... mit<br />
dem Ziel, Schüler zu zunehmender Selbststeuerung ihrer Lernprozesse, zur Mitbestimmung<br />
im Unterricht sowie zu bewußter Gestaltung ihrer Sozialbeziehungen<br />
innerhalb und außerhalb des Unterrichts zu befähigen" (10). Die Aspekte<br />
seiner Unterrichtsbeobachtung und -analyse leitet er ab aus einem kommunika-<br />
DAS ARGUMENT 10211977 ©