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Sozialismus-Diskussion - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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Zur Politik der spanischen KP 237<br />

Staatengemeinschaft untergeordnet werden sollten, die heute für die Mehrheit<br />

des spanischen Volkes fremd ist. Ein rein ideologisches Treue- und Loyalitätsbekenntnis<br />

würde allzu hoch über dem Boden der objektiven Wirklichkeit schweben,<br />

es würde als pflichtmäßige postulative Prinzipienerklärung ohne Beziehung<br />

zur Realität gelten. Marx hat einmal gesagt, daß die Praxis des Menschen stets<br />

auch theoretisch ist, und eine bestimmte Praxis, die als notwendig und nützlich<br />

angesehen wird, bringt auch bestimmte theoretische Ansichten, Korrekturen,<br />

Analysen mit sich, die ebenfalls als notwendig akzeptiert werden müssen. Wenn<br />

die drei großen Parteien Westeuropas auf das Prinzip der Diktatur des Proletariats<br />

verzichtet haben, so ist dies unter anderem die Folge einer realistischen Einschätzung<br />

der gegebenen Klassenstruktur dieser Gesellschaften, ihrer tendenziellen<br />

Entwicklung und ihrer historischen Reife. Es hat bisher niemandem geholfen,<br />

daß man Wissenschaftliche Theoreme mit inniger Überzeugung verteidigt,<br />

die Realität selbst muß sich zum Gedanken drängen, wie der junge Marx sagte.<br />

Fiat theoria, pereat mundus ist jedenfalls kein marxistisches Postulat.<br />

Die Völker Europas, die heute die sozialistische Staatengemeinschaft integrieren<br />

und den sogenannten realen <strong>Sozialismus</strong> aufbauen, haben den Schritt zum<br />

<strong>Sozialismus</strong> dank einer äußeren Einwirkung vollziehen können, nämlich dem<br />

Sieg der Sowjetischen Armee über Hitler-Deutschland. Nicht einmal von der<br />

Tschechoslowakei kann behauptet werden, sie hätte von sich aus, nur kraft des<br />

eigenen revolutionären Impulses, den Aufbau des <strong>Sozialismus</strong> begonnen. Diese<br />

Tatsache schamhaft zu verschweigen, zeugt nicht gerade von leninistischer ideologischer<br />

Festigkeit, sondern eher von ängstlicher Vogel-Strauss-Taktik. Kein<br />

einziger Kommunist, ja kein vernünftiger Demokrat glaubt in Italien, Frankreich<br />

oder Spanien das reaktionär-faschistoide Märchen von den aggressiven Absichten<br />

der Sowjetunion und deren angeblich expansionistisch-imperialistischer Politik.<br />

Soll es aber als Antisowjetismus gebrandmarkt werden, wenn von diesen<br />

Kommunisten viele der Probleme, mit denen die sozialistischen Länder fertig<br />

werden müssen, gerade als Folge des obengenannten historischen Prozesses begriffen<br />

und analysiert werden? Soll es als antisowjetische, ja antisozialistische<br />

Haltung gelten, wenn diese Länder die spekulative Möglichkeit eines sozialistischen<br />

Aufbaus als Folge und dank der Intervention fremder. wenn auch sozialistisch-brüderlicher<br />

Truppen, entschieden ablehnen1 Was in der russischen Gesellschaft<br />

1917, in den Ländern Osteuropas 1945 durch den militärischen Sieg<br />

der Sowjetunion und heute in vielen der bis vor kurzem vom Kolonialismus unterjochten<br />

Länder möglich und machbar war und ist, das ist in anderen Ländern<br />

nicht durchführbar. Deswegen kann der proletarische Internationalismus für die<br />

Kommunistischen Parteien in Italien, Frankreich und Spanien nicht primär darin<br />

bestehen, ein <strong>Sozialismus</strong>-Modell (den sogenannten "realen <strong>Sozialismus</strong>"), das<br />

nicht das eigene sein kann, als einzig mögliches und für das eigene Land auch<br />

beispielhaftes Modell hinzustellen, sondern darin, das eigene Land vom Joch des<br />

imperialistischen Monopolkapitals. dcs Faschismus und der Reaktion zu befreien<br />

und den <strong>Sozialismus</strong> auf eigenem, vielleicht doch besserem Wege'· aufzubauen.<br />

Dadurch wird nicht nur praktische Solidarität geübt, es wird auch der beste Beitrag<br />

zur weiteren Entwicklung des <strong>Sozialismus</strong> in den Ländern geleistet, die ihn<br />

schon seit Jahrzehnten unter den schwierigen Bedingungen der Konfrontation<br />

DAS ARGUMENT 102/1977 ©

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