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Sozialismus-Diskussion - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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Erzieh ungswissensch ajten 275<br />

dung und Erziehung der Individuen unter konkret-historischen Bedingungen<br />

sind." (82) WesseI deutet auch eine allgemeine Bestimmung der Pädagogik an<br />

unter dem Gesichtspunkt der erweiterten Reproduktion, als Akkumulation lebendigen<br />

Wissens und Geschicks, als Widerspruch zwischen gesellschaftlichem<br />

und persönlichem Wissen unter der Arbeitsteilung mit verschiedenen klassengeprägten<br />

Lösungsversuchen (29-36, 66 f, 138).<br />

3. Beständig wird betont, die Pädagogik beziehe sich auf den ganzen Menschen,<br />

d. h. nicht die Schule und ihre Verhältnisse seien maßgebend, sondern die<br />

Bildung der freien, vollen Persönlichkeit in den jeweiligen Lebensetappen, von<br />

denen die Schule nur eine, gewiß wichtige ist. Die Schule sei nicht das Modell<br />

der Pädagogik; ganz im Gegenteil, sie müsse ihre Modelle aus einer breiteren<br />

und weiteren Schicht entnehmen. Die Schule sei zur Zeit eher die falsche Praxis<br />

der Paideia (40, 84, uSW.; ähnliches gelte auch von der Hochschule, 193). Das<br />

Verhältnis zwischen Passivität (Rezeptivität, Autorität) und Aktivität (Spontaneität,<br />

Selbstbildung), wie es in der Schule erscheint, gelte nicht für das ganze<br />

Leben und ändere Sich gewaltig selbst innerhalb der Schule (auch die politische<br />

Bildung etwa dürfe nicht nach dem autoritativen Modell Lehrer-Schüler vorgenommen<br />

werden), das vorher erwähnte Generationenproblem gehört ebenfalls<br />

hierher. "Die weitere erfolgreiche EntWicklung der sozialistischen Gesellschaft,<br />

die Meisterung der wissenschaftlich-technischen Revolution, die Notwendigkeit,<br />

den ganzen Reichtum des Menschen zur Entfaltung zu bringen, erfordern in zunehmendem<br />

Maße eine pädagogische <strong>Theorie</strong>, die den Bildungs- und Erziehungsprozeß<br />

über die ganze Ontogenese des Menschen hinweg widerspiegelt.<br />

Die Pädagogik muß eine Grundlagenwissenschaft werden, die über den traditionellen<br />

Rahmen der Schule weit hinausgeht." (80)<br />

Interessant ist auch die Bestimmung der Philosophie in diesem Zusammenhang.<br />

"Die Philosophen haben das schwere Amt, immer ein neu es Niveau in die<br />

Gemeinschaftsarbeit einzubringen." (105) Dieses Niveau soll durch Verallgemeinerung<br />

wissenschaftlicher Daten und Berücksichtigung der Wirkungen anderer<br />

Wissenschaften, in diesem Falle auf die Pädagogik, erreicht werden. Der Pädagoge<br />

soll nicht als Philosoph statt als Pädagoge fungieren. Er sei Persönlichkeitsfachmann<br />

in der Praxis und solle sich in dieser auch theoretisch betätigen; aber<br />

er darf nicht etwa marxistisch-leninistischen Grundsätzen den Platz pädagogischer<br />

<strong>Theorie</strong>n zuteilen.<br />

Nach den Kapiteln I (Gegenstand der Pädagogik), II (Bildungsprozeß der Persönlichkeit)<br />

und III (Persönlichkeitstheorie und pädagogische <strong>Theorie</strong>) enthält<br />

das IV. und letzte Kapitel über die "Allgemeinbildung" den Kern der theoretischen<br />

Leistung dieses Buches. Allgemeinbildung sei: 1. das Verhältnis zwischen<br />

Gesamtwissen der Gesellschaft und Bildung in einer Gesellschaftsformation<br />

(eine bestimmte Form der Dialektik zwischen Produktivkräften und Produktionsverhältnissen);<br />

2. das Verhältnis zwischen Allgemeinbildung und speZieller<br />

Bildung unter bestimmten historischen Bedingungen; 3. die Aneignung von Bildungs-<br />

und Erziehungsprozeß der Persönlichkeit.<br />

WesseI widmete sich vor allem dem zweiten Punkt: Die Allgemeinbildung sei<br />

der wesentliche Inhalt des Bewußtseins der herrschenden Klasse (in diesem Falle<br />

der Arbeiterklasse). Es komme darauf an, das Gesamtwissen mit den bestimmten<br />

Möglichkeiten des Individuums in seiner konkreten Arbeit zu vermitteln.<br />

Gerade diese Vermittlung (nicht das Gesamtwissen) heiße Allgemeinbildung.<br />

Sie sei also keine bloß institutionelle Größe, auch kein Standard, sondern<br />

eine nur durch ihre Funktionen bestimmte Vermittlung. Von der Seite der Indi-<br />

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