02.03.2014 Aufrufe

Sozialismus-Diskussion - Berliner Institut für kritische Theorie eV

Sozialismus-Diskussion - Berliner Institut für kritische Theorie eV

Sozialismus-Diskussion - Berliner Institut für kritische Theorie eV

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Geschichte 287<br />

bestand der Niederlage noch weiter zu verdrängen, eine Legendenbildung einsetzt.<br />

Diese Legende geht hauptsächlich dahin, daß sowohl die dem deutschen<br />

Angriff auf Frankreich und der Mißachtung der belgisehen Neutralität unterliegende<br />

strategische Konzeption richtig sei (Schlieffenplan) als auch die deutsche<br />

Armee unbesiegt sei. Die Niederlage an der Marne erscheint aus dieser Sichtweise<br />

als die alleinige Folge des Versagens der deutschen Führung unter Moltke<br />

(130 fL). Die nationalsozialistische Interpretation der Marneschlacht (144 ff.) erscheint<br />

als ein Sonderfall dieser "personalistisch monokausalen Erklärung des<br />

Mißerfolges" bzw. dieser "Ein-Mann-These".<br />

Langes Verdienst besteht darin, daß er die Analyse des Ersten Weltkrieges als<br />

Fallbeispiel für ein pathologisches Verhältnis zur Realität angeht. Allerdings<br />

spricht er die gesellschaftlichen Träger dieser Lernpathologie, die ja zugleich<br />

auch ein Herrschaftsmittel darstellt, klassenanalytisch gesehen nicht präzis genug<br />

an. Aus Andeutungen kann man entnehmen, daß er die gesamte deutsche<br />

Gesellschaft gleichermaßen als lernunwillig ansieht. Dieser vorschnellen und<br />

nicht hinreichend abgestützten Generalisierung entspricht es auch, wenn er die<br />

These anklingen läßt, bei einer realitätsgerechten Information über die Niederlage<br />

an der Marne wären die hochgestochenen Siegfrieden- und Kriegszielpläne gar<br />

nicht erst aufgekommen (128).<br />

Langes Mängel bestehen darin, daß er die seiner Ausweitung der <strong>Diskussion</strong><br />

des Ersten Weltkrieges entsprechenden Methoden nicht einsetzt. So behandelt er<br />

"die Öffentlichkeit" nur aus der Perspektive derjenigen <strong>Institut</strong>ionen, die vorgeben,<br />

"der öffentlichen Meinung" Ausdruck zu verleihen bzw. sie zu bilden. Die<br />

Auswahl solcher <strong>Institut</strong>ionen und Repräsentanten - vornehmlich sind es die<br />

amtlichen Kriegsberichterstattungen aus Deutschland und Frankreich sowie die<br />

Äußerungen von Offizieren - und auch die Auswahl der herangezogenen Zeitungen<br />

und Broschüren wird nicht begründet; auch erfährt man nichts über deren<br />

Verbreitung und Wirkung. Die Berichterstattung über Zeitungen erfolgt nur<br />

impressionistisch und genügt keinesfalls den Kriterien, die an eine Inhaltsanalyse<br />

gestellt werden. Auch die Analyse der dem Titel zufolge bis 1939, also bis<br />

zum Beginn des Zweiten Weltkrieges, verfolgten Auswirkungen der ideologischen<br />

Interpretationsgeschichte erfolgt nur impressionistisch, obwohl die Anmerkungen<br />

zur Hitlerschen Interpretation des Schlieffenplanes (154 fL) deutlich<br />

machen, wie zentral gerade die Interpretation des Ersten Weltkrieges für die nationalsozialistische<br />

"Blitzkriegs"-Strategie ist.<br />

Insgesamt gesehen, verdient die Intention Langes aufgegriffen zu werden; um<br />

sie allerdings in der Realität von Forschung und Darstellung adäquat durchzusetzen,<br />

muß der von Lange nur abstrakt als bestimmend angesprochene "materielle<br />

Faktor" (159 f.) systematisch und durchgängig inhaltlich und methodisch<br />

berücksichtigt werden.<br />

Eike Hennig (Frankfurt/M.)<br />

Schneider, Michael: U nt ern e h m er und Dem 0 k rat i e. Die freien Gewerkschaften<br />

in der unternehmerischen Ideologie der Jahre 1918 bis 1933.<br />

Verlag Neue Gesellschaft, Bonn-Bad Godesberg 1975 (219 S., br., 25,- DM).<br />

Gestützt auf neuere politikwissenschaftliche und industriesoziologische Arbeiten,<br />

geht Schneider von der Annahme aus, daß die Stabilität bürgerlich-demokratischer<br />

Gesellschaftsordnungen wesentlich von der Kompromißfähigkeit der<br />

großen organisierten sozialen Gruppen abhängt. Damit gewinnt er einen AnsatznA

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!