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Sozialismus-Diskussion - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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252 Besprechungen<br />

mus" (68). Die Klassifizierung der Formen der sprachlichen Kommunikation<br />

sollte hierbei die Basis für die Klassifizierung der Formen der Äußerung abgeben.<br />

Nach Volosinov mußte ein soziologischer Zugang zur Wirklichkeit der individuellen<br />

und gesellschaftlichen Psyche gefunden werden. Die Disziplin, in der<br />

diese in Gestalt der "Äußerung" schon als Untersuchungsgegenstand thematisiert<br />

worden war, die Linguistik, hatte keine geeigneten Verfahren anzubieten,<br />

da Sie, nach Volosinov, immer nur vereinzelte Redeelemente bzw. isolierte monologische<br />

Äußerungen untersuchte. "Indessen sind die Probleme der Syntax<br />

für das richtige Verstehen der Sprache und ihres Werdens von ungeheurer Bedeutung.<br />

Denn vor allen Formen der Sprache nähern sich die syntaktischen Formen<br />

am meisten den konkreten Formen der Außerung, den Form~n der konkreten<br />

Redeakte .... Die syntaktischen Formen sind konkreter als die morphologischen<br />

und phonetischen und enger mit den realen Bedingungen des Sprechens verbunden"<br />

(174). Volosinov begreift in dem Begriff der syntaktischen Verbindung sowohl<br />

die Syntaktik der Satzelemente ein als auch die Syntaktik der Sätze im Text<br />

und vor allem eine kommunikative, soziale Syntaktik, die die Art und Weise der<br />

kommunikativen Beziehungen der Sprechenden zum Gegenstand hat. Entsprechend<br />

wählt er seinen Analysegegenstand: "Das Phänomen der Wiedergabefremder<br />

Rede in soziologischer Richtung zu problematisieren, das soll die Aufgabe unserer<br />

weiteren Arbeit sein" (78). Beispiele (indirekte, direkte Rede und ihre Modifikationen)<br />

bezieht Volosinov aus der literarischen Produktion. Bei der "uneigentlich<br />

direkten Rede" angelangt, ergibt sich für Volosinov, der zunehmende Gebrauch<br />

dieser und anderer von ihm besprochener Formen der Wiedergabe fremder<br />

Rede signalisiere eine "allgemeine und umfassende Subjektivierung der ideologischen<br />

Wortäußerung" (236). "Das kategorische Wort, das Wort ,aus sich<br />

selbst', das behauptende Wort, lebt nur noch in Wissenschaftlichem Kontext"<br />

(236). Es gelte, eine Erneuerung des ideologischen Wortes möglich zu machen,<br />

"eines Wortes, dessen Thema intakt ist; eines Wortes, das von einem überzeugten<br />

und kategorischen sozialen Werturteil durchdrungen ist; eines Wortes, das<br />

wirklich das meint, was es sagt, und auch bereit ist, sich dafür zu verantworten"<br />

(237). - Ein Plädoyer für eine SOZialpsychologische Hygiene der bewußten Verantwortung<br />

kommunikativer Akte.<br />

Volosinovs Forderung nach einer Typologisierung sprachlicher Äßerungen im<br />

Zusammenhang ihrer (sozialen) Äußerungssituation umreißt ein Thema der<br />

SprachWissenschaft, das z. B. mit der Linguistischen Pragmatik wieder aktuell<br />

geworden ist. Die in der Sprechakttheorie (methodische Grundlage der Ling.<br />

Pragmatik) formulierte Konzeption der Sprechhandlung erscheint von Volosinov<br />

in einem Umfang vorweggenommen. der in der Sprechakttheorie erst in späteren<br />

Erweiterungen erreicht wurde, da ihre frühen Vertreter von einer sozialen Begründung<br />

der Sprechhandlung weitgehend abstinent geblieben waren. Allerdings<br />

hat Volosinov seinerseits in keiner Weise die definitorischen Leistungen der<br />

Sprechakttheorie bezüglich der Klassifizierung und Identifizierung von Äußerungen<br />

erreicht, bedient sich hierbei außerdem eher hermeneutischer Aussagen als<br />

nachvollziehbarer Argumentationen.<br />

In der Sowjetunion wurde Volosinovs Buch in den 30er Jahren von den Marxisten<br />

zunächst aus der öffentlichen <strong>Diskussion</strong> verbannt, in den 60er Jahren<br />

aber in die sprachWissenschaftliche <strong>Diskussion</strong> um Probleme der Sprachnorm<br />

und der Psycholinguistik wieder einbezogen.<br />

Gisela Bruche-Schulz (Berlin/West)

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