Sozialismus-Diskussion - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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210 Günter Matthias Tripp<br />
pliziert. Wir können diesbezüglich nur spekulieren, und das wollen wir natürlich<br />
nicht.<br />
Vielleicht haben wir aber bisher noch einen wichtigen Punkt vernachlässigt,<br />
der für die weitere <strong>Diskussion</strong> erhellend sein könnte. W. F. Haug wendet sich<br />
gegen diejenigen Kräfte, die mit einem Monopolanspruch auftreten. Man möchte<br />
ihm vorbehaltlos zustimmen, weil einem so recht aus dem Herzen gesprochen<br />
sein könnte. Wenn man nur wüßte, worauf er sich bezieht? Ist etwa die aus der<br />
Zeit der 1II. Internationale herrührende und nach wie vor offen oder unterschwellig<br />
wirkende Vorrangstellung der KPdSU gemeint, die insbesondere für<br />
die westeuropäischen kommunistischen Parteien von Carrillo und Berlinguer<br />
entschieden zurückgewiesen wurde? Da an die KPdSU nicht direkt gedacht sein<br />
kann, müssen wohl diejenigen Kräfte gemeint sein. die solche Ansprüche nun<br />
auf sich selbst übertragen und möglicherweise zur Schau stellen. Deren gibt es<br />
sicherlich viele und selbstredend in den unterschiedlichsten ideologischen Schattierungen.<br />
Es ist gar keine Frage. daß derartige Kräfte eine für die Entwicklung<br />
der Demokratie wie des <strong>Sozialismus</strong> äußerst unangenehme Rolle spielen können.<br />
Solange die gemeinten Organisationen oder Fraktionen jedoch nicht beim Namen<br />
genannt sind, läßt sich möglicherweise leicht als Monopolanspruch denunzieren,<br />
was eigenen Positionen widerspricht. Jede Debatte gewinnt durch Klarheit.<br />
Aber sie steht auch unter politischen Prämissen, die von denjenigen bestimmt<br />
werden, die um Demokraten und Sozialisten einen "cordon sanitaire"<br />
gezogen haben. Die Situation des sich exponierenden Intellektuellen - und sei es<br />
nur in der <strong>Theorie</strong> - ist da besonders heikel. Wer dort, wo Meinungsfreiheit gerne<br />
plakativ herausgestellt wird, Meinungskongruenz mit offiziell ungeliebten Positionen<br />
erkennen läßt, hat sich als Intellektueller leicht um seine Marktchancen<br />
gebracht. W. F. Haug kennt sich, wie wir wissen 17 , in der Abwägung solcher<br />
Marktchancen ja in vorbildlicher Weise aus. Wir dürfen vielleicht deshalb annehmen,<br />
daß gerade auch in der laufenden Debatte derartige Einsichten die Argumentation<br />
nicht gänzlich unberührt gelassen haben. Das ist sicherlich, jeweiligen<br />
Positionen angemessen, legitim, offenbart aber auf der andern Seite das Dilemma<br />
einer Debatte, die, wenn wir nicht fehl gehen, Offenheit auf ihre Fahnen<br />
geschrieben hat. Es wäre sicherlich nützlich, gerade auch dieses Problem des<br />
cordon sanitaire zu thematisieren, denn mit den ökonomischen Möglichkeiten,<br />
die ein Intellektueller hat oder nicht hat, also mit seiner konkreten Stellung zu<br />
den intellektuellen Produktions- und Reproduktionsmitteln steht und fällt auch<br />
seine Freiheit, seine wie auch immer geartete sozialistische Meinung auf dem<br />
Forum der Argumente feilzubieten. Wer das Unglück hat, zu Auffassungen gelangt<br />
zu sein, denen das Privileg einer zwar abweichenden aber noch öffentlich<br />
geduldeten Meinung nicht zukommt, möchte da leicht in kluges oder resignatives<br />
Schweigen verfallen oder vielleicht gar sich ein Image zulegen, das des sozialistischen<br />
Anscheins nicht entbehrt und doch als gängige Münze sich noch in<br />
Umlauf bringen läßt. Vielleicht hat die Debatte aber gerade darin ihren hintersinnigen<br />
dialektischen Zweck, all denen, die über viel weniger Freiheit verfügen<br />
als die privilegiert debattierenden Intellektuellen, zu der Einsicht zu verhelfen,<br />
daß sie sich auf andere Weise die ihnen bisher noch vorenthaltene Freiheit zu<br />
verschaffen haben. Der Gedanke des Zusammenschlusses auch dieser vielen