Sozialismus-Diskussion - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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Soziologie 261<br />
generell Danton mit größter Sympathie zu betrachten" (147), während Robespierre<br />
demgegenüber lediglich als "der fanatische und engstirnige Terrorist"<br />
(156) erscheint. J. hat diese ganze verzweifelte, weit nach rechts und links reichende<br />
<strong>Diskussion</strong> um die Wertigkeit der bei den Positionen umfassend dargestellt<br />
und gelangt in seiner Schlußfolgerung, "daß es zwischen Robespierre und<br />
dem Volk eine einheitliche Aktion gibt und daß Danton letztlich vom Volk verurteilt<br />
wird" (219), zu einer fundierten Wertung der Büchnerschen Geschichtsphilosophie,<br />
die das Leben und Wirken heroischer Einzelfiguren bereits weit jenseits<br />
der Vorstellung des Idealismus als Symbolgestalten kollektiver Geschichtskräfte<br />
begreift. Die Konzentration auf die Deutung dieser kollektiven Gedankengänge<br />
erlaubt es ihm, zur Problematik des geschichtlichen (Danton, Robespierre)<br />
bzw. des sozialen HandeIns (Woyzek, Leonce, Lenz) sowie auch der Anwendung<br />
von Gewalt bei Büchner wertvolle Einsichten beizutragen.<br />
Vor allem aber werden aus dieser objektivierten Perspektive übergreifende Zusammenhänge<br />
sichtbar, die das Werk Büchners als einen im wesentlichen geschlossenen<br />
Versuch erscheinen lassen, aus dem "Drang nach dynamischer<br />
Ausbildung seiner Identität" (286) die "Zwänge" darzustellen, "die im Innern einer<br />
politisch freien Gesellschaft das Individuum daran hindern, ein geistiges und<br />
politisches Wesen zu sein" (ebda). Daß B. diese Zwänge, ohne sie bereits streng<br />
sozialistisch beschreiben zu können, schon als "ökonomische" definiert und den<br />
Grund für ihre Existenz in "der Zerrissenheit, der Spaltung der Gesellschaft in<br />
zwei Klassen: die Klasse der Arbeitenden und die Klasse der Ausbeutenden"<br />
(287) sieht, sollte ihm nicht nur J. hoch anrechnen. Was sich in der Psyche des<br />
einzelnen als "facies hippocratica der Welt" widerspiegelt, als "Struktur der leeren<br />
Zeit", das ist nicht individueller Determinismus, nicht subjektiver "Ennui",<br />
sondern Ausdruck einer gesellschaftsbeherrschenden "Ordnung des Egoismus",<br />
d. h., integraler Bestandteil "der ökonomischen Struktur der Gesellschaft selber"<br />
(289). J. hat diesen wichtigen Tatbestand unbedingt klargemacht.<br />
Hagal Mengel (Belfast)<br />
Soziologie<br />
Rilling, RaineT: T h e 0 r i e und S 0 z i 0 log i e der W iss e n s c h a f t.<br />
Zur Entwicklung in BRD und DDR. f'ischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt!<br />
M. 1975 (293 S., br., 8,80 DM).<br />
Aufgrund der zunehmenden Integration von Wissenschaft in gesamtgesellschaftliche<br />
Reproduktionsprozesse weisen die gegenwärtig dominierenden bürgerlichen<br />
und auch marxistischen Wissenschaftskonzeptionen eine deutliche<br />
Tendenz auf, das Augenmerk nicht mehr nur auf die unmittelbaren Produkte<br />
von Wissenschaft, Wissenschaftliche Erkenntnisse. zu richten, sondern auch die<br />
Prozesse ihrer Produktion zu untersuchen. Wissenschaft wird so als Komplex<br />
speZifischer sozialer Tätigkeiten bzw. Arbeitsprozesse begriffen. :\1aterialistische<br />
Wissenschaftskonzeptionen können sich dabei nicht darauf beschränken, den sozialen<br />
Charakter dieser Tätigkeiten "schlechthin" aufzudecken; sie müssen zu<br />
ihren konkret-historischen Entwicklungsgesetzen vorstoßen. Inwieweit repräsentative<br />
bürgerliche und marxistische Ansätze hierzu in der Lage sind, diese Frage<br />
steht im Zentrum der Rillingschen Arbeit.<br />
DAS ARGUMENT 10211977 !Cl