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Sozialismus-Diskussion - Berliner Institut für kritische Theorie eV

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Individuelle Freiheit und "sozialistische Bewegung" 209<br />

hat, und in denen demokratische Traditionen und besondere politische Organisations-<br />

und Ausdrucksformen der Werktätigen verwurzelt sind"", Ausdrücklich<br />

stellt Berlinguer fest, "daß die Weiterentwicklung des Marxismus nicht Schritt<br />

gehalten hat mit den großen Veränderungen der Wirklichkeit der gegenwärtigen<br />

Welt, mit den verschiedenen Erfahrungen im Kampf und beim sozialistischen<br />

Aufbau und mit der politischen Praxis"'·,<br />

Sollte diesen Sätzen zu entnehmen sein, daß sich nun die Bewegungen ohne<br />

Parteien vollziehen und sich statt ihrer neue Organisationsformen herausbilden<br />

sollen? Oder müssen wir diese Sätze - immerhin auf einer Konferenz kommunistischer<br />

Parteien gesprochen - nicht vielmehr als Mahnung oder Aufforderung<br />

an deren Adresse verstehen, sich nicht länger die Wirklichkeit nach ihrem Bilde,<br />

sondern das Bild an der Wirklichkeit auszurichten und sich von falschen wie<br />

liebgewordenen Vorstellungen zu verabschieden'? Nur eine Frage der Interpretation<br />

oder doch für die <strong>Sozialismus</strong>debatte unter bundesrepublikanischen Vorzeichen<br />

eine wesentliche Frage') Könnte es sein, daß der Terminus "sozialistische<br />

Bewegung" schon mit Vorbedacht eine Schlußfolgerung der Berlinguerschen<br />

Analyse suggeriert, die dort in Wirklichkeit ihre Legitimation gar nicht findet'?<br />

Wäre dann nicht die Rede von der "sozialistischen Bewegung" in der Begriffsbildung<br />

zwar über die Bewegung, die zum <strong>Sozialismus</strong> tendiert, hinaus, in Wirklichkeit<br />

aber noch weit hinter ihr zurück, weil z, B, der westeuropäischen Linken<br />

kräftemäßig aber auch rein gar nichts in der Bundesrepublik entspricht? Die Frage<br />

nach dem Zusammenhang von "sozialistischer Bewegung" und Organisation<br />

wäre dann schon vorweg entschieden und zwar durch ein Intellektuellen-Dekret,<br />

dessen Freiheitsbegriff eine wie auch immer geartete organisatorische Form auszuschließen<br />

scheint. Es kann nicht darum gehen, einen Organisationstyp in jenem<br />

traditionellen Verstande zu fordern, der die freie Meinungsbildung unter<br />

dem richtigen Postulat der politisch notwendigen Einheitlichkeit zur Einheitsmeinung<br />

denaturiert, in der jeder neue Gedanke erstirbt. Es kann aber sicherlich<br />

nur schwer eine auf konkrete Resultate ausgerichtete <strong>Diskussion</strong> in Gang kommen,<br />

wenn an die Stelle des Bisherigen eine bestimmte Form der Alternative,<br />

die "sozialistische Bewegung", mit den Postulaten ihrer Prämissen immer schon<br />

vorweg gesetzt ist, denn welche Organisation böte schon die Kriterien, das Freiheitsverlangen<br />

in der geforderten Form zu garantieren?<br />

Wenn aber ein Freiheitsbegriff wie der beschriebene der <strong>Diskussion</strong> den Weg<br />

vorschreibt, heißt das nicht selbst wieder die Freiheit der <strong>Diskussion</strong> beschneiden?<br />

Wo die Freiheit der <strong>Diskussion</strong> gewährleistet sein soll, muß allererst eine<br />

Bestandsaufnahme dessen, was wirklich an Positionen existiert, vorgenommen<br />

werden, Aus der <strong>Diskussion</strong> kann sich dann herauskristallisieren, welches die<br />

offenSichtlich dringendsten Fragen sind, So aber sehen wir uns, ehe man sich<br />

noch so recht versieht, in einer Weise vor die Organisationsfrage gestellt, die sie<br />

vorab schon in einem bestimmten Sinne löst. Ob allerdings von einer wirklichen<br />

Lösung die Rede sein darf, läßt sich bezweifeln, denn allenfalls wird die an einen<br />

bestimmten Freiheitsbegriff gebundene Position eines speZifischen Intellektuellentypus<br />

fixiert, Die Position dessen, was als "Arbeiterbewegung" kernbildend in<br />

die "sozialistische Bewegung" eingeht, wird bei Haug leider an keiner Stelle exlJAS<br />

ARGUMENT 102/1977 ©

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