Sozialismus-Diskussion - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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Wissenschaftlicher <strong>Sozialismus</strong> braucht Demokratie 197<br />
auszudenken. Zwar mögen die Intellektuellen den mangelhaften Zustand der realen<br />
<strong>Theorie</strong> am ehesten als theoretischen Mangel empfinden, praktisch wird er<br />
zuvörderst diejenigen treffen, die noch nicht über die Denkmöglichkeiten verfügen,<br />
das Vorhandene nicht "als das System selbst zu nehmen", und es für die<br />
tägliche Orientierung ihrer Politik brauchen.<br />
Standpunkt-Erkenntnis und gesellschaftliches Handeln<br />
Tomberg will nicht bei dem von ihm selbst als mangelhaft empfundenen<br />
Stand der theoretischen und praktischen Entwicklung der Arbeiterbewegung und<br />
des wissenschaftlichen <strong>Sozialismus</strong> stehenbleiben. Er fordert die Intellektuellen<br />
auf, an der Aufgabe der Weiterentwicklung der <strong>Theorie</strong> "nach Kräften" mitzuwirken.<br />
Da er jedoch selbst eine bestimmte Kritik der bisherigen Formen vermieden<br />
hat, begibt er sich in die Gefahr von Orientierungen. deren Befolgung<br />
die FehlentWicklungen und Mängel eher fortzusetzen drohen, als diese vom<br />
Standpunkt der Erfordernisse der Bewegung zu korrigieren. Der Intellektuelle,<br />
der an der Weiterentwicklung der marxistischen <strong>Theorie</strong> mitarbeitet, habe nicht<br />
nur "unversehens in seiner Praxis den Standpunkt der Wissenschaft einzunehmen",<br />
sondern "zugleich" auch den "Klassenstandpunkt der Arbeiterklasse"<br />
(S.638). Diese Voraussetzung unverfälschter Wirklichkeitsaneignung "drückt<br />
sich theoretisch in der Entscheidung aus, die Grundfrage der Philosophie unzweideutig<br />
materialistisch zu beantworten" (S. 639). Was hier zu vereinen gefordert<br />
wird - Wissenschaft und Klassenstandpunkt -, war zunächst als etwas voneinander<br />
Getrenntes aufgefaßt worden. Dieser Äußerlichkeit des Klassen- bzw. Kritikstandpunktes<br />
hatte Haug zu Recht entgegengehalten, daß der Kritikstandpunkt<br />
aus der Beschaffenheit des Kritisierten selbst, der Struktur der kapitalistischen<br />
Ökonomie entspringt'. Die durch das Kapital produzierten Potenzen der gesellschaftlichen<br />
Arbeit und die Klasse der Lohnarbeiter sind zugleich die Kräfte der<br />
Negation der kapitalistischen Gesellschaft und die objektiven wie subjektiven<br />
Bedingungen der gesellschaftlichen Perspektive.<br />
Indem sich die Marxsche Kritik auf den Standpunkt des auch perspektivisch<br />
Verallgemeinerbaren stellt - so des gesellschaftlichen Charakters der Arbeit und<br />
der Produktivkräfte -, vertritt sie heute nicht mehr allein den Standpunkt der<br />
Arbeiterklasse. Die Entwicklungsperspektive der gesellschaftlichen Arbeit liegt<br />
in der Aufhebung der Trennung von Hand- und Kopfarbeit. Geistige Arbeit -<br />
vor allem Wissenschaftliche Arbeit - erscheint heute noch als eine Tätigkeit, die<br />
weitgehend der Intelligenz vorbehalten ist, auch wenn sich bereits Tendenzen<br />
der Verallgemeinerung durchsetzen. Indem geistige und speziell wissenschaftliche<br />
Arbeit in Konflikt mit den äußeren und wissenschaftsimmanenten Beschränkungen<br />
ihrer bürgerlichen Form tritt und die Aufhebung dieser Beschränkungen<br />
die Überwindung der tradierten Verhältnisse erfordert, ist der Standpunkt<br />
der Wissenschaftlichkeit als Standpunkt der sozialistischen Perspektive<br />
gerade für die Intellektuellen unmittelbarer erkennbar geworden.<br />
Freilich stößt sich diese Vermittlung über die reale Bewegung der gegenwärtigen<br />
Gesellschaft und die in ihr wirksamen Standpunkte noch an manchen "Widersprüchen<br />
des gegenwärtigen Lebens", an der Tatsache, daß die reale BewenA~<br />
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