Sozialismus-Diskussion - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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290 Besprechungen<br />
anlaßte auch die österreich ischen Nazis, deren Organisation Spann insgeheim<br />
beigetreten war, zur Zurückhaltung und Kritik. Da er und seine Schüler nach der<br />
Annexion Österreichs durch Hitlerdeutschland eigenwillig auf ihrem Standpunkt<br />
beharrten, wurde ihre Tätigkeit sogar gewaltsam unterbunden. Spann kam zeitweilig<br />
ins Gefängnis, seine Söhne vorübergehend in Konzentrationslager. Das<br />
hat ihn in die Nähe des Antifaschismus gebracht, obwohl er selbst 1936 voller<br />
Empörung geschrieben hatte: "Ich mußte erleben, daß diejenigen, für die ich<br />
kämpfte, sich nun ohne Grund gegen mich wenden, und zwar mit noch unehrlicheren<br />
Waffen, noch unverständigeren Mißverständnissen als die früheren Gegner"<br />
(215).<br />
Leider ist es Siegfried nicht im vollen Umfang gelungen, diesem gewiß komplizierten<br />
Verhältnis die notwendige Transparenz zu verleihen. Wer mit der<br />
österreichischen Geschichte nicht näher vertraut ist, für den bleiben besonders<br />
viele Fragen offen, die auch das Spannsche Verhältnis zur Regierung Dollfuß<br />
und die Positionen des österreichischen Klerus betreffen. Schließlich muß man<br />
bedauern, daß der Spann-Kreis zu isoliert von der neokonservativen Bewegung<br />
in Deutschland betrachtet wird. Dabei liegt doch der Gedanke nahe, daß auf seine<br />
Haltung das Schicksal der deutschen Zentrumspartei und überhaupt die Erfahrungen<br />
der Regierungen Brüning und Papen eingewirkt haben. Der Widerhall<br />
seiner Ideen bei jungkonservativen deutschen Ideologen wie Edgar Julius Jung<br />
ist wenigstens offenkundig. Das Buch von Martin Schneller (Zwischen Romantik<br />
und Faschismus. Der Beitrag Othmar Spanns zum Konservatismus der Weimarer<br />
Republik, Kiel 1970) hat in dieser Beziehung größere Aussagekraft. Es<br />
bleibt jedoch weit hinter dem zurück, was Siegfried zur gesellschaftspolitischen<br />
Deutung des Spannschen Universalismus beigetragen hat. Er bereichert die Vorstellungen<br />
vom Wesen des Faschismus, verdeutlicht seine Vielfältigkeit und bestätigt<br />
den reaktionären Charakter der noch heute in Österreich florierenden<br />
Spann-Schule.<br />
Joachim Petzold (Berlin/DDR)<br />
Sywottek, Jutta: Mob i I mac h u n g fü r den tot ale n Kr i e g. Die propagandistische<br />
Vorbereitung der deutschen Bevölkerung auf den Zweiten<br />
Weltkrieg. Westdeutscher Verlag, Köln-Opladen 1976 (398 S., br., 65,- DM).<br />
Im Literaturangebot der BRD über den Faschismus und den Zweiten Weltkrieg<br />
ist die Themenvielfalt ein herausragendes Kennzeichen. Ein anderes, ebenso<br />
auffälliges aber ist das hohe prozentuale Übergewicht der publiZistischen<br />
Rechtfertigungen jener gesellschaftlichen Kräfte, die die Hauptverantwortung für<br />
die Errichtung der faschistischen Diktatur und für den Aggressionskurs trugen.<br />
Die Arbeit von Jutta Sywottek über die propagandistische Beeinflussung des<br />
deutschen Volkes im Interesse der Kriegsvorbereitung nimmt in diesem Literaturangebot<br />
eine besondere Stellung ein. Über die Nazipropaganda liegen von Autoren<br />
der BRD und anderer kapitalistischer Länder einige Dutzend Arbeiten vor,<br />
aber es fehlen tiefschürfende Analysen mit einer größeren chronologischen und<br />
thematischen Breite. Zu den Vorzügen der von Sywottek verfaßten Monographie<br />
gehört, daß anhand umfangreichen Faktenmaterials aufgedeckt wird, mit welchen<br />
Mitteln und Methoden die faschistische Propagandamaschinerie bis 1939<br />
die gezielte Irreführung vornahm. Aber die Darstellung bleibt dabei vordergründig<br />
und kennzeichnet nur das Wirken der Regisseure der Manipulierung, ohne<br />
nAS ARCHTMFNT 10?/IQ77 (C)