Sozialismus-Diskussion - Berliner Institut für kritische Theorie eV
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Sprach- und Literaturwissenschaft 251<br />
Chance zu <strong>kritische</strong>m Urteilen gelassen wird. In dieses Bild fügt sich das Zitierverfahren<br />
ein. Zwar werden die Zitate gekennzeichnet, nicht aber quellenmäßig<br />
belegt (bis auf unwichtige Ausnahmen). Eine Überprüfung ist somit unmöglich,<br />
was bequeme Zitatmanipulationen erlaubt (vgl. 139/140, das Hegelzitat ist aus<br />
zwei Satzfragmenten zusammenmontiert, die im Original ca. 20 Seiten auseinanderstehen).<br />
Das Verfahren widerstreitet jeder didaktischen Zielsetzung. Es<br />
schreckt den Leser eher ab, als daß es ihn anregt, in den Originalen nachzuschlagen.<br />
Oder sollte dies Absicht sein? Es spricht vieles dafür; z B. verzeichnet die<br />
Bibliographie nur Sekundärliteratur und nicht eine Primärschrift. Auch Philosophie<br />
kommt ohne einen Fundus an zählbarem Wissen nicht aus, aber in seiner<br />
Aufzählung erschöpft sie sich sicherlich nicht. Daß sie auch ein aktives Tun, ein<br />
Reflektieren über das Problem der Dialektik ist, ignoriert diese Einführung.<br />
Ulrich Richter (Münster)<br />
Sprach - und Literaturwissenschaft<br />
Volosinov, Valentin N.: Marxismus und Sprachphilosophie.<br />
Hrsgg. und eingeleitet von Samuel M. Weber. Ullstein Verlag, Frankfurt/M.<br />
Berlin/West-Wien 1975 (Leningrad 1930) (237 S., br., 12,80 DM).<br />
Der Autor gehört zu einer Generation von Wissenschaftlern, die nach der sowjetischen<br />
Revolution die marxistische <strong>Theorie</strong> zu ihrer Arbeitsgrundlage erklärten<br />
und sie mit den Ergebnissen bürgerlicher Wissenschaft in einen fruchtbaren<br />
Zusammenhang zu bringen versuchten. Sein Thema ist der ideologische Inhalt<br />
des Bewußtseins in seinem sprachlichen Ausdruck. Volosinov geht davon aus,<br />
daß "alles Ideologische Zeichencharakter (hat)" (56) und somit "der Zeichencharakter<br />
die gemeinsame Bestimmung aller ideologischen Phänomene (ist)" (56).<br />
Auf diese Weise erklärt sich für ihn der gesellschaftliche Charakter auch des individuellen<br />
Bewußtseins . .,Das Bewußtsein wird erst dadurch zum Bewußtsein,<br />
daß es sich mit ideologischem Inhalt füllt, resp. solchem, das Zeichencharakter<br />
trägt, also nur im Prozeß der gesellschaftlichen Interaktion." (57) Dementsprechend<br />
existiert das gesellschaftliche Bewußtsein, "die gesellschaftliche Psyche"<br />
als reale sprachliche Interaktion, die "ganz und gar außen" geäußert wird, "im<br />
Wort, in der Geste, in der Tat" (66). Ohne diese Verknüpfung mit dem realen<br />
Prozeß der Kommunikation durch Zeichen sei die gesellschaftliche Psyche ein<br />
metaphysischer oder mythischer Begriff. - Die Formen der sprachlichen Interaktion<br />
werden nun durch die Bedingungen der sozialen Situation bestimmt. "Die<br />
Produktionsverhältnisse und die von ihnen unmittelbar bedingte soziopolitische<br />
Struktur bestimmen alle Möglichkeiten des sprachlichen Kontaktes der Menschen<br />
untereinander, alle Formen und Arten ihrer verbalen Kommunikation: bei<br />
der Arbeit, im politischen Leben, im ideologischen Schaffen." (66) Die Existenz<br />
der gesellschaftlichen Psyche wird somit für Volosinov faßbar "in den verschiedensten<br />
Formen der Äußerung, in der Form innerer und äußerer kleiner Redegenres"<br />
(67). Bisher sei die Äußerung vornehmlich anhand ihres thematischen<br />
Inhalts untersucht worden, aber nicht unter dem Gesichtspunkt ihrer strukturellen<br />
Entwicklung, abhängig von hierarchischen Gesellschaftsstrukturen. "Eine<br />
Typologisierung dieser Formen ist eine der vordringlichsten Aufgaben des Marxis-