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Moser, Friedhelm - Kleine Philosophie für Nichtphilosophen.pdf

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kosmisches Spiel, kein Kinderspiel.<br />

�<br />

Theater, sportlicher Wettkampf, Brettspiel – das sind drei Varianten<br />

des Spiels, auf die Huizingas Definition in etwa passt. Doch es gibt<br />

auch Spiele, <strong>für</strong> die das nicht gilt: das Wortspiel hält sich nicht an bestimmte<br />

Regeln, im Gegenteil; das Liebesspiel ist (hoffentlich!) durchaus<br />

so gemeint; und das Mienenspiel hat zwar seinen angestammten<br />

Ort, aber weder Anfang noch Ende.<br />

Etwas ganz besonderes ist das Sprachspiel. Dieser Begriff wurde von<br />

Ludwig Wittgenstein geprägt. Er soll deutlich machen, dass das Sprechen<br />

Teil einer Tätigkeit oder Lebensform ist. Abhängig von der Situation,<br />

in der man die Sprache gebraucht, gehorcht sie unterschiedlichen<br />

Regeln. Es gibt das Sprachspiel »Rätsel raten«, das Sprachspiel »Geschichten<br />

erzählen«, das Sprachspiel »Gebrauchsanweisung« und viele<br />

andere. Beispielsweise hat der Ausdruck »Vater« vor dem Familiengericht<br />

eine andere Funktion als im Sprachspiel »Gebet«, so wie der »Bauer«<br />

beim Schach eine andere Rolle spielt als beim Skat.<br />

Besondere Aufmerksamkeit widmete Wittgenstein dem Sprachspiel<br />

»Idealistische <strong>Philosophie</strong>«. Dieses zeichnet sich seiner Meinung nach<br />

dadurch aus, dass es die Mitspieler in den Wahnsinn treibt. Es trainiere<br />

sie darauf, Wörter »wörtlich« zu nehmen und sie so aus dem Regelwerk<br />

des jeweiligen Sprachspiels zu reißen.<br />

In der Tat: Wer darauf bestehe, ein Wort habe eine Bedeutung »an<br />

sich«, d.h. unabhängig von Kontext und Situation, verhält sich so unsinnig<br />

wie jemand, der beim Schachspiel zwei Bauern »drückt« oder<br />

beim Skat einen »Grand mit achten« ansagt.<br />

Nehmen wir zum Beispiel das Wort »Spiel«: Nach den Regeln des<br />

Sprachspiels »Idealistische <strong>Philosophie</strong>« müsste man, bevor man über<br />

Spiele sinnvoll sprechen kann, das Wort »Spiel« definieren, und diese<br />

Definition müsste das Wesen des Spiels ergründen. Huizinga hat sich alle<br />

Mühe gegeben, und doch ist es ihm, wie wir gesehen haben, nicht gelungen,<br />

sämtliche Spiele unter einen Wesens-Hut zu bringen.<br />

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