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Moser, Friedhelm - Kleine Philosophie für Nichtphilosophen.pdf

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»Demokraten« und die modernen Kommunisten. Letztere gingen davon<br />

aus, alle Menschen seien im Prinzip gleich und deshalb verdienten<br />

sie Gleichbehandlung: gleiches Recht, gleiche Erziehung, gleiches Eigentum.<br />

(Und gleiche Pyjamas, ergänzte Mao.) Platon dagegen fand,<br />

dass die Menschen prinzipiell ungleich seien. Entsprechend ungleich<br />

verteilte er die gesellschaftlichen Aufgaben unter ihnen. Wie minus mal<br />

minus plus ergibt, so kann man auch die Ungleichbehandlung der Ungleichen<br />

als Gerechtigkeit interpretieren: Platons so genannte »geometrische<br />

Gleichheit« ist auf zahlreichen Gebieten gängige Praxis.<br />

Leistungsbezogene Entlohnung und Steuerprogression funktionieren<br />

ebenso nach dem platonischen Prinzip wie das dreigegliederte Schulsystem.<br />

Jeder soll gemäß seinen Möglichkeiten und Fähigkeiten bezahlt,<br />

besteuert und ausgebildet werden. Die Gleichheit steckt in der Entsprechung:<br />

»Jedem das Seine!«<br />

Dagegen stoße ich auf die »arithmetische Gleichheit«, wenn ich am<br />

Wahlsonntag mein Kreuzchen mache. Hier spielt weder politische Bildung<br />

noch wirtschaftliche Macht, noch – sofern man volljährig ist –<br />

das Alter eine Rolle. »Jedem dasselbe!« Dabei wäre es doch durchaus<br />

denkbar, dass der Rentner aufgrund seiner größeren Lebenserfahrung<br />

mehr Stimmen hätte als der Erstwähler – oder dass die Jungen aufgrund<br />

ihrer größeren Lebenserwartung mehr Stimmen hätten als die<br />

Alten. Der Neunzigjährige muss die nächste Schulreform ja nicht mehr<br />

ausbaden.<br />

�<br />

Ein berühmtes Beispiel <strong>für</strong> den Konflikt zwischen »geometrischer«<br />

und »arithmetischer« Gleichheit finden wir im Neuen Testament. In<br />

Matth. 20, 1-16 erzählt Jesus mal wieder ein Gleichnis. Der Besitzer eines<br />

Weinbergs geht frühmorgens auf den Markt und heuert ein paar<br />

Arbeiter an. Als Tagelohn wird ein Silberstück ausgemacht. Mittags<br />

geht er noch einmal auf den Markt und schickt wieder ein paar Arbeiter<br />

in seinen Weinberg, wieder <strong>für</strong> ein Silberstück. Den gleichen Lohn<br />

verspricht er einer dritten Gruppe von Arbeitern, die er kurz vor Son-<br />

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