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Moser, Friedhelm - Kleine Philosophie für Nichtphilosophen.pdf

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haber hätte er seine Rolle verfehlt ... Für einen geschulten Denker wie<br />

Holmes bedeutete das Eindringen von Gefühlen in sein kompliziertes,<br />

letztendlich hoch empfindliches Wesen einen Störfaktor, der möglicherweise<br />

Zweifel an seinen logischen Schlüssen aufkommen lassen<br />

konnte. Für ihn wäre ein starkes Gefühl genauso irritierend wie Sand in<br />

einem empfindlichen Instrument oder ein Sprung in einem seiner eigenen<br />

scharfen Vergrößerungsgläser.«<br />

Holmes ist kein Einzelfall. Der klassische Detektiv wird gern als gefühlsarmer<br />

Außenseiter gestaltet, der hart am Abgrund des Pathologischen<br />

wandelt. Gerade seine übermenschliche, unmenschliche Distanz<br />

befähigt ihn, die Gefühle anderer zu durchschauen. Diese Distanz ist<br />

das Geheimnis der Logik.<br />

Denken wir uns als Kontrast einen distanzlosen Kommissar. Nennen<br />

wir ihn Herzlich, weil er sich gern von Sympathien und Antipathien<br />

leiten lässt. Im aktuellen Mordfall hat Kommissar Herzlich zwei Verdächtige<br />

dingfest gemacht, Boris Brutalsky, einen Ex-Boxer mit windschiefer<br />

Nase und einer Vorstrafe wegen Tierquälerei, sowie die<br />

rothaarige Schauspielerin Lily Luder, bekannt aus der Fernsehserie<br />

»Heiße Träume unter Palmen«. Wie soll der arme Beamte angesichts<br />

von Lily Luders Wimperngeklimper klaren Kopf bewahren? Wie soll er<br />

sachlich recherchieren, während er unablässig davon träumt, die Frau<br />

persönlich in Handschellen abzuführen?<br />

Weil Herzlich seine Schwäche kennt, greift er zu einem alten Trick<br />

und anonymisiert die Aussagen der beiden Verdächtigen. Er schreibt ein<br />

großes A auf ein Blatt Papier, dahinter die Aussage von Boris Brutalsky,<br />

sowie ein großes B mit der Aussage von Lily Luder. Dann liest er die<br />

Aussagen kritisch »ohne Ansehen der Person«, und sofort springt ihm<br />

die Wahrheit ins Auge. Während B ein lückenloses Alibi vorweisen<br />

kann – Probeaufnahmen <strong>für</strong> »Coole Träume unter Krüppelkiefern« –,<br />

hat A sich verplappert: »Ich war zur Tatzeit im Kino. Im Apollo-Kino.<br />

Hier ist die Eintrittskarte.«<br />

Kommissar Herzlich reibt sich die Hände. Der Fall ist gelöst: Der<br />

Mord wurde nämlich im Apollo-Kino verübt! Ein Triumph der krimina-<br />

– 117 –

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