Moser, Friedhelm - Kleine Philosophie für Nichtphilosophen.pdf
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Das Links-liegen-Lassen des Humors durch die <strong>Philosophie</strong> ist um so<br />
erstaunlicher, als die ersten Philosophen, die alten Griechen, ein lachlustiges<br />
Völkchen waren. Die homerischen Götter produzierten gern<br />
ein »unauslöschliches Gelächter«. Die Sieben Weisen glänzten durch<br />
witzige Aussprüche (Thales auf die Frage, warum er kinderlos geblieben<br />
sei: »Aus Mitleid mit den Kindern.«). Perikles sah in der Komödie ein<br />
Mittel zur Demokratisierung des Volkes. Die Dichter hatten Narrenfreiheit<br />
und durften in ihren Stücken jeden Politiker, jede Institution<br />
veralbern. Die Armen erhielten Geld aus der Staatskasse, damit sie sich<br />
im Theater amüsierten. Auch die <strong>Philosophie</strong> war noch nicht tierisch<br />
ernst. Als Diogenes hörte, Platon habe den Menschen als einen »Zweibeiner<br />
ohne Federn« definiert, rupfte er einen Hahn und stellte ihn als<br />
»platonischen Menschen« vor.<br />
Mit solchen Kindereien war es vorbei, als Aristoteles seinen Schülern<br />
diktierte: »Das Lächerliche ist ein mit Hässlichkeit verbundener Defekt,<br />
der indes keinen Schmerz und kein Verderben verursacht, wie ja<br />
auch die lächerliche Maske hässlich und verzerrt ist, jedoch ohne den<br />
Ausdruck von Schmerz.« Das Lachen war somit als entstellende Grimasse<br />
abgestempelt. Die Maske der Komödie vertrug sich nicht mit<br />
dem philosophischen Schönheitsideal, das harmonische und ehrwürdige<br />
Züge verlangte. Eine gepflegte Melancholie stand dem Denker besser<br />
an als verschmitztes Lächeln oder schallendes Gelächter. Spaß war<br />
etwas <strong>für</strong> kleine Kinder und ausgewachsene Narren.<br />
Doch hatte die Degradierung des Humors damit noch kein Ende.<br />
Die frühen Christen entlarvten das Lachen als die Fratze des Bösen.<br />
Der Kirchenvater Johannes Chrysostomos behauptete allen Ernstes, Jesus<br />
habe niemals gelacht. Für die Menschen sei angesichts des irdischen<br />
Jammertals Heulen und Zähneklappern die angemessene Gefühlsäußerung.<br />
Einzig die Märtyrer durften sich amüsieren, und auch das nur,<br />
um ihre Folterknechte zu ärgern. »Beiß rein, ich bin schon gar!« soll der<br />
heilige Laurentius seinen Peiniger verspottet haben, als er auf kleiner<br />
Flamme geröstet wurde.<br />
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