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Moser, Friedhelm - Kleine Philosophie für Nichtphilosophen.pdf

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ließe. Mit anderen Worten: Die Menge der natürlichen Zahlen ist kein<br />

bisschen größer als die Menge der geraden Zahlen. Und <strong>für</strong> die ungeraden<br />

Zahlen gilt dasselbe. Unendlich ist unendlich. Größer geht's nicht.<br />

Das Paradox erschüttert unser Vertrauen in die Selbstverständlichkeiten<br />

des Alltags. Aus diesem Grund ist es seit jeher ein beliebtes Werkzeug<br />

der <strong>Philosophie</strong>. Schon Zenon von Elea behauptete, ein<br />

abgeschossener Pfeil stehe an jedem Punkt seiner Bewegung still und<br />

bewege sich deshalb überhaupt nicht vom Fleck. Blühender Blödsinn,<br />

aber logisch schwer zu widerlegen. Die spektakulärsten Paradoxa von<br />

heute stammen aus der theoretischen Physik. So wird behauptet, ein<br />

Astronaut, der mit annähernder Lichtgeschwindigkeit das Universum<br />

durchblitzt habe, sei bei seiner Rückkehr zur Erde jünger als sein daheimgebliebener<br />

Zwillingsbruder. Unglaublich, aber Einstein.<br />

Paradoxa entstehen an der Nahtstelle zwischen Realität und Vorstellung.<br />

Die Natur an sich erlaubt sich keine Widersprüche. Das hoffen<br />

wir jedenfalls. Wenn das Licht in einigen Experimenten Teilchencharakter<br />

zeigt, sich in anderen Versuchen als Wellensalat präsentiert, dann<br />

schreiben wir diese Ungereimtheit nicht der Sprunghaftigkeit des Lichtes<br />

zu, sondern der Dürftigkeit unserer Theorien. Dabei gibt es keinen<br />

logischen Grund, warum das Weltall widerspruchsfrei sein müsste und<br />

keine anarchischen Elemente enthalten dürfte. Unsere Suche nach einer<br />

letztgültigen Weltformel, die alles erklärt, den Aufbau des Universums<br />

ebenso wie die Vorgänge auf subatomarer Ebene, hat vielleicht religiöse<br />

Motive. Die »Theorie <strong>für</strong> Alles«, von der die Wissenschaftler träumen,<br />

wäre dann nur das moderne Gesicht eines allmächtigen Schöpfers.<br />

�<br />

Jedenfalls bei der Schöpfung des Menschen scheint der Teufel, »der<br />

Geist, der stets verneint«, seine Hand im Spiel gehabt zu haben. Wir<br />

sind zutiefst zerrissene, paradoxe Wesen. Körper und Geist. Kosmos<br />

und Chaos.<br />

Stammhirn und Großhirn. Himmel und Hölle. Liebestrieb und Todestrieb.<br />

Wir laufen unser ganzes Leben lang dem Glück nach – und<br />

– 23 –

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