Moser, Friedhelm - Kleine Philosophie für Nichtphilosophen.pdf
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das Glück rennt hinterher. Haben wir es trotzdem einmal erhascht, tun<br />
wir alles, um es möglichst dramatisch wieder zu zerstören. Jedes Kartenhaus<br />
hat einen zweifachen Sinn. Es erfordert höchstmögliche Konzentration<br />
beim Erbauen, und es liefert uns eine perverse Befriedigung,<br />
wenn wir es zum Einsturz bringen. Ein fertiges Puzzle ist nur noch<br />
langweilig. Lebenslänglich Friede, Freude, Eierkuchen ist ebenso unerträglich<br />
wie jeden Tag Champagner und Kaviar. Eine schöne, neue<br />
Welt vollkommener Harmonie? Eine Horrorvision.<br />
Ach, Marlene, sing's noch einmal <strong>für</strong> uns:<br />
»Wenn ich mir was wünschen dürfte,<br />
kam ich in Verlegenheit,<br />
was ich mir denn wünschen sollte,<br />
eine schlimme oder gute Zeit.<br />
Wenn ich mir was wünschen dürfte,<br />
möcht ich etwas glücklich sein.<br />
Denn wenn ich gar zu glücklich war,<br />
hätt ich Heimweh nach dem Trau-rig-sein.«<br />
Wir tragen den Widerspruch in uns, ebenso wie den Wunsch zur Beseitigung<br />
aller Widersprüche. Was wiederum ein Widerspruch wäre.<br />
Der Meister des Makabren, Edgar A. Poe, hat die Gespaltenheit des<br />
Menschen und seinen Hang zur Selbstzerstörung zutiefst empfunden.<br />
In seinem Alb der Perversheit heißt es: »Es gibt in der ganzen Natur keine<br />
Leidenschaft von so dämonischer Gewalt, wie sie ein Mensch empfindet,<br />
der schaudernd am Rande eines Abgrunds steht und solcherart<br />
dann einen Sprung erwägt. Auf einen Augenblick nur der Versuchung<br />
des Gedankens daran nachzugeben, heißt unrettbar verloren sein. Denn<br />
ruhige Überlegung drängt uns, davon abzusehen, und eben darum, sag<br />
ich, können wir es nicht. Wenn dann kein Freundesarm zur Stelle ist,<br />
uns zurückzuhalten, oder wenn es uns nicht gelingt, uns in jäher Anstrengung<br />
aller Kräfte rückwärts vom Schlunde weg niederzuwerfen, so<br />
springen wir – und springen ins tiefste Verderben.«<br />
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