Moser, Friedhelm - Kleine Philosophie für Nichtphilosophen.pdf
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Der Krieg erscheint uns heute, wenn nicht absolut verdammenswert,<br />
so doch zutiefst suspekt. Das war nicht immer so. Am Anfang der<br />
abendländischen <strong>Philosophie</strong> steht der Satz: »Der Krieg ist der Vater aller<br />
Dinge.« Heraklit, dem wir diese ungeheuerliche Weisheit verdanken,<br />
lebte zur Zeit der Perserkriege oder kurz davor. Man kämpfte damals<br />
noch mit Speer und Schwert in geschlossener Reihe, Mann gegen<br />
Mann, Auge in Auge, und hielt sich an ungeschriebene Regeln, die<br />
quasi-rituelle Bedeutung hatten. Insofern war der Krieg fairer als heute.<br />
Trotzdem eine dreiste Behauptung: »Der Krieg ist der Vater aller<br />
Dinge.« Das Destruktive schlechthin als schöpferische Kraft? Hat Heraklit<br />
vielleicht nur den Krieg in seiner übertragenen Bedeutung gemeint?<br />
Wollte er sagen, dass alles aus dem Gegensatz, aus dem Widerspruch<br />
entsteht? Unsere Wirtschaft lebt vom Konkurrenzkampf, unsere Demokratie<br />
vom Kampf um die Wählerstimmen, die <strong>Philosophie</strong> vom Streit<br />
der Meinungen, das Recht von der Auseinandersetzung zwischen Anklage<br />
und Verteidigung.<br />
Alles Eindimensionale – das Monopol, die Einheitspartei, das Dogma<br />
– ist unfruchtbar. Der »Krieg« der Gegensätze ist in der Tat fruchtbar.<br />
Auf unser Thema angewendet, würde das heißen: Es bringt uns<br />
keinen Millimeter weiter, wenn wir den Krieg unisono verteufeln. Gewähren<br />
wir ihm also ein faires Verfahren!<br />
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KRIEG UND FRIEDEN (Gerichtsdrama in einem Akt)<br />
DIE PHILOSOPHIE (auf dem Richterstuhl): Der Prozess ist eröffnet. Der<br />
Vertreter der Anklage hat das Wort.<br />
DER FRIEDE: Ich klage an: Der Krieg ist ein Konzentrat allen Unheils.<br />
Wenn er im apokalyptischen Quartett mit Pest, Hunger und Tod<br />
über das Land kommt, vernichtet er alles Schöne und Wertvolle,<br />
um eine rauchende, von Leichen übersäte Wüste zu hinterlassen.<br />
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