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Moser, Friedhelm - Kleine Philosophie für Nichtphilosophen.pdf

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Wenn das so genannte Myk-Gen in einer Zelle aktiviert wird, dann fällt<br />

diese innerhalb von 25 Minuten in sich zusammen und löst sich in<br />

Nichts auf. Der Exitus der Einzelzelle wäre demnach vorprogrammiert.<br />

Und das ist notwendig, damit der Gesamtorganismus gesund bleibt.<br />

Nur Wunschdenker meinen, der Tod der Zellkolonie Mensch komme<br />

als Terminator von außen und könne durch irgendwelche Wunderwaffen<br />

besiegt werden. Ab einem gewissen Alter ist nicht mehr die Krankheit<br />

Auslöser des Todes, sondern der Körper tötet sich selbst, indem er<br />

sich verschiedener Krankheiten bedient. Der Tod kommt von innen.<br />

Das Skelett wohnt im Menschen, wie der Papa im Weihnachtsmannkostüm,<br />

wie der Kern in der Kirsche, wie ein Agent im konspirativen<br />

Unterschlupf. Mit den Jahren wagt es sich immer dreister aus der Deckung.<br />

Besonders wenn sich ein Wetterwechsel ankündigt. »Heute<br />

spür' ich aber meine Knochen«, wird dann zur Tageslosung im Altersheim.<br />

Der Alt man, so ist eines der »Bilder des Todes« überschrieben, die<br />

Hans Holbein d. J. Anfang des 16. Jahrhunderts in Holz schneiden<br />

ließ. Ein Greis wird vom Knochenmann an ein gähnendes Grab geführt.<br />

Ein Schritt noch, dann stürzt er ins Bodenlose. Der Alte achtet<br />

nicht auf den Weg. Der Knochenmann neben ihm spielt die Zither. Bezaubert<br />

lauscht der Alte seinem Kehraus. Ist er darum zu beneiden?<br />

Was ist besser: Blindlings ins Grab zu stolpern oder sehenden Auges hinein<br />

zu kippen, hineinzuspringen? Der Tod auf dem Holzstich meint es<br />

jedenfalls gut mit dem Alten.<br />

Der Tod als musizierender Freund, das ist die eine Rolle. Aber Holbeins<br />

Knochenmann kann auch andere Saiten aufziehen. Den Ritter<br />

spießt er mit der Lanze auf, hinterrücks, genüsslich. Dem Reichen, der<br />

im vergitterten Gewölbe seine Schätze zählt, raubt er vor dem Leben<br />

das geliebte Gold. Dieser Tod kämpft auf seiten der Reformation – es<br />

ist die Zeit der Bauernkriege –, <strong>für</strong> das einfache Volk. Wo die Gesellschaft<br />

in Stände zerfällt, ist Gleichbehandlung revolutionär. Der Tod<br />

macht keinen Unterschied zwischen Kaiserin und Bettelweib, zwischen<br />

Ackermann und Papst. »One man – one Tod«, heißt seine Devise. Der<br />

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