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Moser, Friedhelm - Kleine Philosophie für Nichtphilosophen.pdf

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gehört hatte; ich bemühte mich, diese Zeichen mit meinem eigenen<br />

Mund vollkommen nachzuformen, und drückte dadurch meine eigenen<br />

Wünsche aus.«<br />

In dieser Schilderung verbirgt sich eine Theorie, die so genannte Gegenstandstheorie<br />

der Bedeutung: Die Wörter sind »Zeichen <strong>für</strong> die Dinge«.<br />

Jedem Gegenstand entspricht ein Wortzeichen (oder mehrere), und<br />

umgekehrt. Diese Theorie erklärt uns, wie man die Wörter »Fenster«,<br />

»Hund« oder »Nase« mit Bedeutung füllt. Aber wie sieht es mit »nachdem«,<br />

»nirgendwo«, »Bedeutung« oder »sein« aus? Und auf welche Weise<br />

hat Klein-Augustinus die Deklinationen und den Ablativus absolutus<br />

gelernt?<br />

Die Zeigefinger-Methode entbehrt in elementaren Situationen nicht<br />

eines gewissen Charmes (»Ich – Tarzan! Du – Jane! Das – Liane!«), in<br />

komplexen Zusammenhängen jedoch stößt sie rasch an ihre Grenzen.<br />

Was sich tatsächlich alles zwischen »Mama«, »Mama süß« und »Mama,<br />

können Kühe lachen?« abspielt, ist nach wie vor ein Mysterium. Nur<br />

weiß man mittlerweile, dass Kreativität dabei ein wesentlicher Faktor<br />

ist. Das Kind spielt mit Wörtern und Strukturen, so wie es mit Bauklötzen<br />

spielt. Es braucht keine Baupläne. Ja, wenn dem Kind der<br />

»richtige« Satzbau durch die ehrgeizigen Eltern aufgedrängt wird, vermindert<br />

sich das Lerntempo!<br />

�<br />

Der begrenzte Geltungsbereich ist nicht das einzige Manko der Gegenstandstheorie.<br />

Ludwig Wittgenstein, der Begründer einer neuen<br />

Sprachphilosophie, schreibt mit kritischem Bezug auf Augustinus. »In<br />

der Umgangssprache kommt es ungemein häufig vor, dass dasselbe<br />

Wort auf verschiedene Art und Weise bezeichnet ... oder dass zwei<br />

Wörter, die auf verschiedene Weise bezeichnen, äußerlich in der gleichen<br />

Weise im Satz angewandt werden.« Als Beispiel zitiert er das unschuldige<br />

Wörtchen »ist«.<br />

1)Es kann die Identität ausdrücken: Bill Clinton ist der 42. Präsident<br />

der Vereinigten Staaten. Dieses »ist« entspricht einem<br />

– 180 –

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