Moser, Friedhelm - Kleine Philosophie für Nichtphilosophen.pdf
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Darwins Hauptwerk Die Entstehung der Arten (1859) sorgte <strong>für</strong> Wirbel,<br />
ja, <strong>für</strong> einen veritablen Wirbelsturm. Es wurde zum heißestdiskutierten<br />
wissenschaftlichen Werk des Jahrhunderts. Es fuhr, um im Bilde<br />
zu bleiben, wie ein mächtiger, neuer Keil in die Holzköpfe. dass die<br />
Kirche den »Kampf ums Dasein« aufnahm, war nur allzu verständlich.<br />
Aber auch viele Philosophen leisteten erbitterten Widerstand. Ein<br />
Werk, das den menschlichen Geist aus der unvernünftigen Natur herleitete,<br />
stellte eine Majestätsbeleidigung aller Geisteswissenschaftler dar.<br />
Im Grunde bestätigte dieser Widerspruch Darwins Theorie: Die »positive«<br />
Biologie war in die Reviere von Kirche und Metaphysik eingedrungen<br />
und schien deren Lebensgrundlagen zerstören zu können. Die<br />
Wissenschaftler waren offensichtlich »fitter« als ihre geistlichen und<br />
geisteswissenschaftlichen Konkurrenten, d.h., ihre Aussagen waren an<br />
die tatsächlichen Gegebenheiten – Funde von Skeletten längst ausgestorbener<br />
Saurier, Möglichkeiten der Tierzucht, Artenvielfalt – besser<br />
angepasst. Die »kreationistischen« Thesen, Gott habe die Welt erst vor<br />
ca. sechstausend Jahren geschaffen, auf der Arche Noah seien 7877<br />
Tierpaare der Sintflut entkommen, und die prähistorischen Knochen<br />
habe Gott in der Erde verbuddelt, um die Biologen an der Nase herumzuführen,<br />
hatten dagegen einen schweren Stand. Allerdings glauben<br />
nach einer Umfrage auch heute noch 48 Prozent der US-Bürger an die<br />
Zuverlässigkeit der biblischen Schöpfungsgeschichte, und im Staat Illinois<br />
wurde die Evolutionslehre auf Drängen christlicher Fundamentalisten<br />
aus dem Schul-Lehrplan gestrichen.<br />
�<br />
Vom berüchtigten bible belt einmal abgesehen, haben Glaube und<br />
<strong>Philosophie</strong> sich erstaunlich rasch an die Evolutionstheorie angepasst.<br />
Die Theologen können auf den mythischen Charakter des Schöpfungsberichts<br />
verweisen oder hinterlistig fragen: »Gut, die Artenvielfalt ist<br />
ein Produkt der Evolution – aber wer hat die Evolution geschaffen?«<br />
Die Philosophen haben sogar von Darwins Ideen profitiert: Der Evolutionsgedanke<br />
lässt sich z. B. auf die Entwicklung und das Aussterben<br />
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