Moser, Friedhelm - Kleine Philosophie für Nichtphilosophen.pdf
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ge da<strong>für</strong> sorgte, dass der Zögling seinen Weg machte. Wo ein Mentor<br />
fehlte, tat es wohl auch das »gute Buch«: Homer, die Bibel, Plutarch,<br />
Robinson Crusoe, David Copperfield. Information kommt durch andere<br />
Kanäle zu uns, durch Zeitungen und Nachrichtenmagazine, durch<br />
Radio, Fernsehen und Internet. Die Medien bestimmen die Botschaft:<br />
Information ist durch Aktualität, Mosaikhaftigkeit und leichten Zugang<br />
charakterisiert.<br />
Die Revolution kündigte sich durch ein arhythmisches Tickern an:<br />
Im Mai 1844 drahtete mein Anagramm-Vetter Samuel Morse das erste<br />
Telegramm von Washington nach Baltimore, ein paar gottgefällige Zeilen.<br />
Der Fernschreiber zog die ersten Fäden in unserem weltweiten<br />
Kommunikationsnetz. Er und seine multimedialen Nachkommen haben<br />
den Raum vernichtet, und damit auch die Zeit. Der informierte<br />
Mensch ist per Life-Schaltung überall präsent, beim Tennismatch in<br />
Sydney, beim Wirbelsturm in Florida, selbst beim Spaziergang auf dem<br />
Mond. Der gebildete Mensch war in der Geschichte zu Hause. Heute<br />
ist er selbst schon fast Geschichte. Der informierte Mensch weiß alles<br />
von heute, einiges von der letzten Woche, kaum etwas vom letzten Jahr,<br />
und was vor seiner Geburt geschah, verschwindet im Grau der Prähistorie.<br />
Information zerreißt die Zusammenhänge und begräbt die Geschichte<br />
unter einer Flut von Neuigkeiten.<br />
Während Bildung auf seriöse Inhalte setzte, fördert Information die<br />
fröhliche Vielfalt: Wissen, Nachrichten und ein bisschen Tratsch ergeben<br />
einen leicht verdaulichen Salat, angerichtet von beliebten, beliebigen<br />
Moderatoren. Neue Erkenntnisse über die Ozonschicht, über den<br />
Krieg im Sudan, über das Schicksal von Clintons Zigarre werden mit<br />
derselben Professionalität vermeldet. Die Tatsache, dass sich Tag <strong>für</strong> Tag<br />
Millionen von Menschen mehrmals täglich vor die Mattscheibe setzen,<br />
um diesen Nachrichten-Mix nicht zu verpassen, lässt nur einen Schluss<br />
zu: Information ist Haribo-Konfekt <strong>für</strong>s Volk. Ein bisschen Opium ist<br />
wahrscheinlich auch in der Tüte. Wer die »Tagesschau« gesehen hat,<br />
kann am nächsten Morgen mitreden. Er weiß zwar nichts, aber er weiß<br />
Bescheid. Seine augenblickliche Stimmung zu einem Thema sieht einer<br />
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