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Moser, Friedhelm - Kleine Philosophie für Nichtphilosophen.pdf

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Grundstoffe aus der Natur baut man nicht einmal Luftschlösser. Das<br />

Rohmaterial sträubt sich in der Regel gegen die Bearbeitung. Kein<br />

Baum lässt gern einen Beichtstuhl aus sich machen. Der Tischler muss<br />

das Holz mit Gewalt und Technik in die richtige Form zwingen. Die<br />

Produkte menschlicher Arbeit sind deshalb bestenfalls Kompromisse,<br />

oft genug Murks.<br />

Einzig die göttliche Schöpfung ist Natur und Arbeit in einem. Sie<br />

entsteht durch Gottes »Es werde« aus dem Nichts. Es gibt keine Diskrepanz<br />

zwischen Plan und Ausführung. Darum ist die Schöpfung der<br />

ungetrübte Ausdruck von Gottes Wesen.<br />

Und das ist – jedenfalls nach Meinung einiger Theologen und idealistischer<br />

Philosophen – der wahre Grund da<strong>für</strong>, dass überhaupt etwas<br />

Materielles existiert. Gott will sich selbst erkennen. Erst indem er die<br />

Welt erschafft, wird er sich aller Möglichkeiten, die in ihm schlummern,<br />

bewusst. Die Welt ist Selbstoffenbarung Gottes.<br />

�<br />

Geniale Künstler und Forscher, der visionäre Unternehmer und der<br />

originelle Philosoph, der kreative Koch und der passionierte Gärtner arbeiten<br />

aus ähnlichen Motiven. Es geht ihnen um die Verwirklichung<br />

von Ideen, um die Freisetzung ihrer Talente. Ihr Leben findet seine Erfüllung<br />

in der Großen Arbeit.<br />

Für die Mehrzahl der Menschen spielt die Arbeit jedoch keine tragende<br />

Rolle. Man identifiziert sich bis zu einem gewissen Grad mit ihr,<br />

man erledigt sie teils mit Lust, teils aus Pflichtgefühl, man verdient sich<br />

damit ein kunstloses Brot, doch das Zentrum des Lebens liegt woanders,<br />

z.B. in der Familie oder im Fitness-Studio. Man arbeitet um des<br />

Geldes willen, <strong>für</strong> das befriedigende Gefühl, mit seinen Gaben und Fertigkeiten<br />

gebraucht zu werden, und weil der Arbeitsplatz eine soziale<br />

Position mit sich bringt. Dies ist das Normale: dass man sich die<br />

fremdbestimmte Arbeit zwar zeitweise zu eigen macht, aber mit dem<br />

Blick auf Uhr und Kalender: Ist nicht bald Feierabend, ist nicht bald<br />

Wochenende, ist nicht bald Urlaub?<br />

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