Moser, Friedhelm - Kleine Philosophie für Nichtphilosophen.pdf
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fundierten Meinung zum Verwechseln ähnlich. Und wer braucht schon<br />
Überzeugungen, wenn morgen sowieso alles kalter Kaffee und übermorgen<br />
vergessen ist?<br />
�<br />
Das Informationszeitalter bringt es mit sich, dass jeder jederzeit und<br />
überall Zugriff auf alle Informationen hat. So lautet das Versprechen.<br />
Es gibt keine Zensur mehr und keine Schwellenängste beim Betreten<br />
einer altehrwürdigen Universitätsbibliothek. Der Harvard-Professor<br />
sitzt genauso nah an der Quelle der Weisheit wie der ägyptische Koranschüler<br />
und der mongolische Ziegenhirte, sofern nur ein PC in Reichweite<br />
ist. Ein Maus-Klick, und – Website öffne dich! – alle drei werden<br />
gleichberechtigte Zellen des gigantischen Gehirns Internet. Information<br />
total. Kommunikation total. Konfusion total.<br />
Denn wenn Information nicht sinnvoll verarbeitet wird, bewirkt sie<br />
das Gegenteil von dem, was sie verspricht. Man kann den Menschen<br />
dumm halten, indem man ihn von Informationen abschneidet. Man<br />
erreicht dasselbe Ziel, wenn man ihn mit einem Wust von Informationen<br />
überschüttet. Geheimdienste starten Desinformationskampagnen,<br />
um den Feind zu verwirren und seine Handlungsfähigkeit zu lahmen.<br />
»Desinformation« definiert Neil Postman, »bedeutet irreführende Information<br />
– unangebrachte, irrelevante, bruchstückhafte oder oberflächliche<br />
Information –, Information, die vortäuscht, man wisse etwas,<br />
während sie einen in Wirklichkeit vom Wissen weglockt.« Und genau<br />
das passiert mit uns. Wir wissen, wie der Urwald von Papua-Neuguinea<br />
aussieht, aber kennen wir noch den Unterschied zwischen Buche und<br />
Erle, ach, was sag' ich, zwischen Schwalbe und Storch? Wir »tschätten«<br />
mit einem Unbekannten in Alaska, während die nette ältere Dame<br />
in der Nachbarwohnung seit zwei Monaten tot vorm laufenden Fernseher<br />
sitzt. Noch einmal Postman: »Man meint sich <strong>für</strong> die Welt zu öffnen<br />
und bezahlt da<strong>für</strong> mit Blindheit in der Nähe.« Ein Sammelsurium<br />
von Soaps und Homepages gibt vor, uns die seelische Heimat ersetzen<br />
zu können. Keine Suchmaschine ist so ausgetüftelt, dass wir mit ihrer<br />
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