Moser, Friedhelm - Kleine Philosophie für Nichtphilosophen.pdf
Moser, Friedhelm - Kleine Philosophie für Nichtphilosophen.pdf
Moser, Friedhelm - Kleine Philosophie für Nichtphilosophen.pdf
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Nach zwei Jahren erschien der Hirte mit seinen Schützlingen bei<br />
Hofe. Sie hatten inzwischen offenbar zu sprechen gelernt, denn sie lallten<br />
das Wort: »Bekos«. Nur dies eine Wort. Im Ägyptischen gab es kein<br />
»Bekos«. Also erkundigte sich der König bei den Sprachgelehrten, ob<br />
das Wort aus irgendeinem anderen Land stammen könne. Man wurde<br />
fündig: In der Sprache der Phryger, die in Kleinasien lebten, bedeutete<br />
»Bekos« Brot. Das erschien sinnvoll, da die Kinder jedesmal die Arme<br />
ausstreckten, wenn sie das Wort aussprachen. Offenbar hatten sie Hunger.<br />
Schweren Herzens erklärte der König die Phryger zur Urbevölkerung<br />
der Welt.<br />
Zu jener Zeit gab es noch keinen Nobelpreis. Sonst wäre Psammetich<br />
ein ganz heißer Anwärter gewesen. Sein Experiment stellte einen<br />
Meilenstein in der anthropologischen Forschung dar. Zum ersten Mal<br />
wurden die Parallelen zwischen Phylogenese, der Entstehung der<br />
Menschheit, und Ontogenese, der Entwicklung des einzelnen Menschen,<br />
gesehen, und zum ersten Mal rückte die Sprache in den Brennpunkt<br />
des wissenschaftlichen Interesses.<br />
�<br />
Dort steht sie seitdem, doch ihr Ursprung liegt nach wie vor im dunkeln.<br />
Die einen, wie der renommierte Paläoanthropologe Richard Leakey,<br />
glauben fest daran, dass schon der flachstirnige homo erectus<br />
sprechen konnte und dass die ersten Menschen, als sie vor l 600 000<br />
Jahren aus Afrika aufbrachen, um die Erde zu erobern, drei große Errungenschaften<br />
im Marschgepäck hatten: Feuer, Faustkeil und Konversation.<br />
Dagegen legt der Amerikaner Jared Diamond die Hand da<strong>für</strong><br />
ins Feuer, dass unsere komplexe Sprache vor weniger als 100 000 Jahren<br />
in einer »kreativen Explosion« entstanden sei. Der homo erectus habe allenfalls<br />
einzelne, stark interpretationsbedürftige Grunzlaute ausgestoßen.<br />
Ebenso ungeklärt wie der Zeitpunkt ist die Ursituation der Sprachentstehung:<br />
Nach der »Wau-Wau«-Theorie entstand die Sprache durch<br />
Nachahmung von Umweltgeräuschen und Tierlauten. Nach der »Aua«-<br />
– 177 –