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Moser, Friedhelm - Kleine Philosophie für Nichtphilosophen.pdf

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Der einfache Mönch dagegen hatte überhaupt nichts zu lachen.<br />

Selbst harmlose Nonnenwitze waren offiziell tabu. In der Benediktiner-<br />

Regel heißt es: »Leichtfertige Späße aber und albernes oder zum Lachen<br />

reizendes Geschwätz verdammen wir allezeit und überall, und keinem<br />

Jünger erlauben wir, zu derlei Reden den Mund zu öffnen.«<br />

Die Puritaner unter Cromwell hätten am liebsten den Witz generell<br />

verboten und aus jedem Engländer einen Buster Keaton gemacht. Der<br />

Philosoph Thomas Hobbes schrieb, jegliches Lachen zeuge von Überheblichkeit<br />

und Dummheit. Der Witz galt unter Gebildeten als der<br />

hässliche Hofnarr des Verstandes, als unsauber, unheimlich und infantil,<br />

eine Sünde des Geistes, ein Vetter des Wahnsinns. Der Witzbold<br />

unterminierte aus kindischem Übermut die gedankliche und gesellschaftliche<br />

Ordnung. Das Leben in dieser Ordnung war jedoch eine<br />

von Gott auferlegte Pflicht, kein Jux. Wer diese Wahrheit ignorierte,<br />

wie der Possenreißer, der auf den Jahrmärkten das gemeine Volk ergötzte,<br />

stand bis in die frühe Neuzeit auf der untersten Stufe der sozialen<br />

Leiter. Mit »Dirty Harry« Schmidt hätten allenfalls Huren und Henker<br />

verkehrt.<br />

Erst mit der Renaissance erwachte der Humor zu neuem Leben. Boccaccios<br />

kunstvoll-frivoles Decamerone begeisterte Italien. Die antiken<br />

Komödien wurden in die Volkssprache übersetzt und eroberten die<br />

Bühnen. Rasch fanden sich moderne Nachahmer. Geniale Satiriker wie<br />

Aretino genossen die Gunst der Fürsten. Papst Leo X. höchstpersönlich<br />

amüsierte sich im Theater. Von Rom ausgehend, breitete sich die Prustseuche<br />

über ganz Europa aus. Cervantes, Shakespeare, und Rabelais<br />

schufen ihre unsterblichen Werke. Letzterer stellte seinen Gargantua<br />

unter das Motto:<br />

»Lachen ist des Menschen höchstes Gut.«<br />

Der Satz bekommt philosophisches Gewicht, wenn man sich vor Augen<br />

hält, dass »das höchste Gut« <strong>für</strong> Platon das Ideal der Ideale gewesen<br />

war, an dem sich alles Irdische messen lassen musste, und dass <strong>für</strong> die<br />

mittelalterlichen Theologen »das höchste Gut« ein Beiname Gottes war.<br />

Rabelais verkündete seinen Zeitgenossen nicht weniger als die revolu-<br />

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