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Moser, Friedhelm - Kleine Philosophie für Nichtphilosophen.pdf

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11<br />

DIE FREIHEIT<br />

ODER SIND SIE<br />

EINE BILLARDKUGEL?<br />

»Willensfreiheit ist das bewußte Begreifen des eigenen<br />

Lebens. Frei ist, wer sich als lebendig begreift.<br />

Und sich als lebendig begreifen heißt, das Gesetz seines<br />

Lebens zu begreifen, heißt, danach zu streben, das<br />

Gesetz des eigenen Lebens zu erfüllen.«<br />

(Leo Tolstoi)<br />

Das Wort »frei« enthält ein Kaleidoskop von Bedeutungen. Freibier<br />

ist nicht unbedingt alkoholfrei. Wenn eine Frau sich frei macht, ist sie<br />

deshalb noch keine Freifrau. Der Zuchthäusler arbeitet vielleicht im<br />

Freien, während der Gefreite den ganzen Tag im Bunker sitzt. Was ist<br />

das Gegenteil von »frei«? Unterdrückt? Kostenpflichtig? Besetzt?<br />

Ursprünglich, belehrt mich das Etymologische Wörterbuch, hieß<br />

»frei« soviel wie »lieb«. Die »Freien« waren diejenigen, mit denen man<br />

freundlich, d.h. von gleich zu gleich verkehrte. Die Urbedeutung hat<br />

sich in dem Wort »Freier« erhalten sowie indirekt in dem Wort »Freitag«.<br />

Der 5. Wochentag ist ja niemals arbeitsfrei gewesen, er hat seinen<br />

Namen vielmehr von Frija, der altgermanischen Göttin der Liebe.<br />

Das stolze Wort »frei« gehörte der Herrensprache an. Es wurde zum<br />

Synonym <strong>für</strong> alles, was die »lieben« Angehörigen der Oberschicht miteinander<br />

verband und sie vom gemeinen Volke, von den Leibeigenen<br />

und Sklaven trennte: wirtschaftliche Unabhängigkeit, politische Autonomie<br />

und ein durch Bildung und Reisen relativ aufgeklärtes Denken.<br />

Kein Wunder, dass alle Menschen sich nach Freiheit sehnten, aber es<br />

gab, wenn man nicht zufällig frei geboren war, nur drei Wege zu diesem<br />

Ziel: Weg eins, die gnädige Freilassung, war mit Arbeit gepflastert und<br />

unsicher. Die Flucht setzte voraus, dass es einen Zufluchtsort gab. Weg<br />

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