Moser, Friedhelm - Kleine Philosophie für Nichtphilosophen.pdf
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Doch die Gleichberechtigung hatte ihre Grenzen. Sklaven und Frauen<br />
kamen ebenso wenig in ihren Genuss wie schwache Nachbarn. Als<br />
Athen mit Sparta um die Vorherrschaft in Griechenland rang, sollte die<br />
kleine Kykladeninsel Melos zum Kriegseintritt genötigt werden. Die<br />
Melier aber bestanden auf ihrer Unabhängigkeit. Worauf die Athener<br />
argumentierten: »Schluss mit den schönen Phrasen! Ihr wisst doch so<br />
gut wie wir, dass die Gerechtigkeit im Verhältnis zwischen Menschen<br />
nur dann gilt, wenn die Kräfte gleich verteilt sind. Ist einer überlegen,<br />
dann setzt er seine Interessen durch, soweit es in seiner Macht steht,<br />
und der Unterlegene muss kuschen.«<br />
Die Melier entschlossen sich zum Kampf und wurden besiegt. Die<br />
Athener metzelten sämtliche 1 500 Männer nieder, die Frauen und<br />
Kinder wurden in die Sklaverei verkauft. Dabei fühlten die »demokratischen«<br />
Mörder sich durchaus im Recht. Gewalt gegen Schwächere sei<br />
in der Natur guter, alter Brauch. Die Melier mit ihrer absurden Vorstellung<br />
von Gleichberechtigung hätten gegen die Gesetze von Natur und<br />
Vernunft verstoßen. Ihre Vernichtung sei deshalb verdient.<br />
Hochmut kommt vor dem Fall. Von kriegslüsternen Demagogen angeführt,<br />
taumelte Athen moralisch und militärisch in die Katastrophe.<br />
Sparta gewann den Krieg. 399 v. Chr. wurde dann auch noch Platons<br />
Lehrer Sokrates zum Tode verurteilt, nicht von einem blutdürstigen Tyrannen,<br />
sondern von einem Volksgericht, nach einem skandalösen Prozess.<br />
Platon hatte also Grund, an der moralischen Überlegenheit der Demokratie<br />
zu zweifeln. Der Idealstaat, wie er ihn sich vorstellte, zeigte<br />
kaum Ähnlichkeit mit Athen. Bei ihm war die Gesellschaft in drei homogene,<br />
streng voneinander getrennte Stände eingeteilt: Der Stand der<br />
Arbeiter, Bauern, Händler usw. sollte <strong>für</strong> den Lebensunterhalt sorgen,<br />
der militärische »Wächter«-Stand <strong>für</strong> die Sicherheit und der Stand der<br />
Philosophen <strong>für</strong> eine weise Regierung. Wenn jeder Bürger seine ihm<br />
angemessene Aufgabe brav erfüllte, würde dieser Staat gedeihen und gegen<br />
alle Umsturzversuche gefeit sein.<br />
Platon hatte eine andere Konzeption von Gerechtigkeit als die alten<br />
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