Moser, Friedhelm - Kleine Philosophie für Nichtphilosophen.pdf
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senen geworden. Und Shakespeare ließe sich über ein paar Umwege<br />
vielleicht auf das kindliche »Nachäffen« zurückführen.<br />
�<br />
Alles an unserer Kultur, was nicht unmittelbar der Selbsterhaltung<br />
dient, trägt mehr oder weniger spielerische Züge: Huizinga hat dies <strong>für</strong><br />
den Sport, das Militär, die Justiz, den religiösen Ritus usw. nachgewiesen.<br />
Wie sehr wir uns auch im alltäglichen Umgang nach »Spielregeln«<br />
richten, wird uns spätestens dann klar, wenn wir fremde Kulturen besuchen<br />
bzw. von entfernten Verwandten besucht werden. Vor allem aber<br />
sind die Kunst und die theoretische Wissenschaft ohne das spielerische<br />
Element undenkbar. Kunst und Wissenschaft stellen gewissermaßen die<br />
Vollendung dessen dar, was im Sandkasten oder beim kindlichen »Ich<br />
seh was, was du nicht siehst« begann.<br />
Deshalb wollte ich dieses Stichwort ursprünglich mit einer pathetischen<br />
Laudatio ausklingen lassen, etwa mit dem folgenden Zitat von<br />
Egon Friedeil: »Alles Wertvolle ist lediglich Spielerei, und alle menschlichen<br />
Betätigungen bleiben nur so lange wertvoll, wie sie eine Spielerei<br />
sind, oder bekommen erst in dem Augenblick einen Wert, wo sie zur<br />
Spielerei werden.«<br />
Doch mir sind Bedenken gekommen. Das Spiel ist nämlich, wie die<br />
Freiheit, offen nach beiden Seiten. Das Schachbrett hat auch schwarze<br />
Felder. Die Katze spielt mit der Maus. Die Zirkusspiele der Römer waren<br />
ekelerregende Blutbäder. Öffentliche Hinrichtungen wurden zu allen<br />
Zeiten als »Theater des Schreckens« inszeniert. Auch das Böse<br />
spielt. Nicht einmal das Kinderspiel ist harmlos:<br />
Zu meinem neunten Geburtstag bekam ich ein Fußballspiel geschenkt.<br />
Es war ein Plastikkasten von der Größe eines Schuhkartons.<br />
Über dem grünen Spielfeld ein »Himmel« aus transparentem Kunststoff.<br />
Die »Spieler-Reihen wurden über sechs Tasten bewegt. Durch ein<br />
Loch in der Mitte des »Himmels« warf man den Ball, eine silbrige Kugel,<br />
ins Spiel. Dann begann ein wildes Gehölze. Gewöhnlich spielte ich<br />
mit den Fliegen, die sich in unsere Küche verirrt hatten. Ich fing sie<br />
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