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Moser, Friedhelm - Kleine Philosophie für Nichtphilosophen.pdf

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Wittgenstein verlangte deshalb eine Veränderung der philosophischen<br />

Spielregeln. »Sag nicht: Es muss ihnen etwas gemeinsam sein,<br />

sonst hießen sie nicht ›Spiele‹. – sondern schau, ob ihnen allen etwas<br />

gemeinsam ist. – Denn wenn du sie anschaust, wirst du zwar nicht etwas<br />

sehen, was allen gemeinsam wäre, aber du wirst Ähnlichkeiten, Verwandtschaften,<br />

sehen, und zwar eine ganze Reihe. Wie gesagt: denk<br />

nicht, sondern schau! ... Ich kann diese Ähnlichkeiten nicht besser charakterisieren<br />

als durch das Wort ›Familienähnlichkeiten‹; ... Die ›Spiele‹<br />

bilden eine Familie.«<br />

Wie man vom Schachbauern nicht auf den Skatbauern, wie man<br />

vom Großvater nicht auf die Cousine schließen kann, so muss man<br />

auch die verschiedenen Facetten eines Begriffes wie »Spiel« sorgfältig<br />

auseinander halten. Das A und O ist die genaue Beobachtung. Am Tor<br />

zu Platons Akademie stand: »Wer nichts von Geometrie versteht, muss<br />

leider draußen bleiben.« Wittgenstein hätte <strong>für</strong> sein Lehrgebäude ein<br />

anderes Motto gewählt: »Denk nicht, sondern schau!«<br />

�<br />

Doch auch wenn Wittgenstein richtig lag, war Huizinga deshalb<br />

nicht auf dem Holzweg. Denn das Konzept »Familienähnlichkeit« steht<br />

nicht unbedingt im Widerspruch zum Konzept »Wesen«. Den gemeinsamen<br />

Nenner finden wir im Konzept »Stammbaum«. Alle Mitglieder<br />

einer Familie, so verschieden sie auch aussehen mögen, haben doch<br />

eine Sache gemeinsam: Sie gehen auf dieselben Ureltern zurück.<br />

Gibt es dementsprechend auch ein Ur-Spiel, eine prähistorische<br />

Großmutter aller Spiele? Darüber lässt sich trefflich spekulieren. Auf jeden<br />

Fall ist das Spiel älter als die Menschheit. Der Balztanz des Birkhahns,<br />

die Balgereien junger Hunde und Katzen, das Theater im<br />

Affenkäfig beweisen ja, dass auch Tiere spielen. Also haben schon die<br />

ersten Menschen gespielt: Aus dem Imponier- und Reizgehabe der Geschlechter<br />

hätten sich dann sukzessive die Kriegsspiele der Männer und<br />

die Modespiele der Frauen entwickelt, aus dem Kräftemessen der Kinder<br />

wären die kultischen bzw. kommerziellen Wettkämpfe der Erwach-<br />

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