Moser, Friedhelm - Kleine Philosophie für Nichtphilosophen.pdf
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en Autobahn etwas abgewinnen. Jeder von uns hat eine philosophische<br />
Ader; nur ist es bei dem einen ein Kapillargefäß am kleinen Zeh, beim<br />
ändern eine Puls- oder Krampfader.<br />
Die Frage, ob jemand Philosoph ist oder nicht, lässt sich also nur<br />
quantitativ beantworten. Doch ich bleibe dabei: ein Charakteristikum<br />
des Mehr-Philosophen ist es, dass er seine Einsamkeit dem Zusammensein<br />
mit den Weniger-Philosophen vorzieht und jenem alten Römer<br />
beipflichtet, der behauptete: »Nie bin ich weniger allein, als wenn ich<br />
allein bin.«<br />
�<br />
Die Berge sind mir zu hoch, die Wüste ist mir zu heiß – aber ich liebe<br />
Inseln. Ich träume von Inseln. In ihren geheimnisvollen Namen –<br />
Mauritius, Bali, Tristan da Cunha, Helgoland – höre ich die Brandung<br />
an die Felsen schlagen und die schrillen Rufe der Seevögel. Ich war ein<br />
Inselbewohner, lange bevor ich meine erste Insel betrat. Robinson Crusoe<br />
wurde an einem 30. September, seinem Geburtstag, an den Strand<br />
einer einsamen Insel gespült. Und es war ein 30. September, an dem es<br />
mich aus dem Gewoge des Uterus an die ungemütlichen Gestade des<br />
Einzeldaseins verschlug. Zufall? Aber warum fühlte ich mich dann als<br />
Kind auf Stevensons »Schatzinsel« so viel heimischer als in der norddeutschen<br />
Tiefebene?<br />
Später sollte ich reale Inseln kennen lernen: Valentia Island vor der<br />
Südwestküste Irlands, Ko Samed im Golf von Thailand, selbst Wangerooge<br />
und Norderney versetzten mich in Hochstimmung. Die Südsee ist<br />
bis jetzt ein Traum geblieben. Eine Toteninsel wie die von Böcklin –<br />
oder die von Diana, Princess of Wales – erscheint mir als letzte Ruhestätte<br />
außerordentlich reizvoll.<br />
»Kein Mensch ist eine Insel«, schrieb der »metaphysische« Dichter<br />
John Donne – vielleicht etwas zu hastig. Denn wer sich auf einer Insel<br />
begraben lässt, wird nach und nach ein Teil von ihr. Zumindest auf<br />
molekularer Ebene gehen wir ja alle den Weg »zurück zur Natur«. Jean-<br />
Jacques Rousseau, der Prophet der romantischen Naturempfindung,<br />
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