Moser, Friedhelm - Kleine Philosophie für Nichtphilosophen.pdf
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18<br />
DER KRIEG<br />
ODER IST ANGST EINE TUGEND?<br />
»Liebe Eltern! Ihr dürft mich beglückwünschen.<br />
Man gibt mir die Gelegenheit, auf großartige Weise zu<br />
sterben. Dies ist mein letzter Tag. Das Schicksal unserer<br />
Heimat hängt von der entscheidenden Schlacht in<br />
den Meeren des Südens ab, und ich werde dort fallen<br />
wie eine Blüte von einem strahlenden Kirschbaum ...«<br />
(Abschiedsbrief eines Kamikaze-Piloten)<br />
Einer meiner Urgroßväter war 1870 bei Mars la Tour dabei. Mein<br />
Großvater kutschierte im 1. Weltkrieg einen Sanitätswagen. Mein Vater<br />
lag im 2. Weltkrieg vor Leningrad. Ich verspürte keinen unbezähmbaren<br />
Drang, diese Tradition fortzusetzen. Daher füllte ich rechtzeitig vor<br />
der Musterung einen Antrag auf Wehrdienstverweigerung aus. Die Begründung<br />
fiel mir nicht schwer. Der Krieg – das war doch der reine<br />
Wahnsinn, die Hölle auf Erden, das absolut Böse – das war Verdun,<br />
Stalingrad, Hiroshima und My Lai. Welche Argumente konnte man <strong>für</strong><br />
das millionenfache Abschlachten Unschuldiger ins Feld führen? Womit<br />
Vergewaltigung, Verstümmelung, Verwüstung und Vertreibung rechtfertigen?<br />
Nein! Nie wieder Krieg! Make love not war! Nie, nie, nie wieder<br />
Krieg! Ganz einfach. Für einen 18jährigen ist alles ganz einfach.<br />
Heute bin ich eine Generation älter, und jedesmal wenn ich in diesem<br />
Frühling das Radio einschalte, werde ich mit Meldungen über die<br />
Luftangriffe auf das so genannte Rest-Jugoslawien bombardiert. Auch<br />
wenn unsere Politiker das Wort ungern in den Mund nehmen: Es<br />
herrscht Krieg, mitten in Europa, und deutsche Soldaten sind daran beteiligt.<br />
Verblüffend. Und noch verblüffender: Sogar gestandene Pazifisten<br />
sind diesmal da<strong>für</strong>! Die Luftschläge erscheinen unvermeidlich, denn<br />
man kann doch nicht tatenlos zusehen, wie zwei Millionen Albaner un-<br />
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