Moser, Friedhelm - Kleine Philosophie für Nichtphilosophen.pdf
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zur Ehre an, die Heroen des Kulturbetriebs komfortabel zu versorgen.<br />
Aber Rousseau will keine Pension und keine Pfründe. Er kommt auf<br />
die abenteuerliche Idee, seine Ideale tatsächlich verwirklichen zu wollen.<br />
Er will ein beispielhaftes Leben führen, bescheiden in den Ansprüchen,<br />
im Einklang mit der Natur, ehrlich bis zum Exzess. Er will einer Gesellschaft,<br />
die er als abgehoben und verdorben empfindet, den Spiegel der<br />
Schlichtheit vorhalten. Und er will Bücher schreiben, die seine Botschaft<br />
unters Volk bringen sollen. Um nicht auf den Verkaufserfolg seiner<br />
Werke angewiesen zu sein, verdient er sich den Lebensunterhalt mit<br />
dem Kopieren von Noten, ein hartes Brot.<br />
Das dritte Wunder: Jedes der Bücher, die Rousseau in den nächsten<br />
Jahren veröffentlicht, schlägt ein wie eine Bombe. Er schreibt einen Roman<br />
– und die Julie wird der Roman des Jahrhunderts. Er schreibt eine<br />
politische Utopie – und Der Gesellschaftsvertrag wird das Programmheft<br />
der Französischen Revolution. Er schreibt einen Essay über Kindererziehung<br />
– und der Émile wird ein Meisterwerk, das sogar Kant aus dem<br />
seelischen Gleichgewicht bringt und bis heute kaum etwas von seiner<br />
faszinierenden Frische eingebüßt hat. Er schreibt schließlich seine Autobiographie<br />
– und produziert (posthum) einen Skandal, weil er es als<br />
erster Autor gewagt hat, sich einer umfassenden, das Sexuelle nicht aussparenden<br />
Psychoanalyse zu unterziehen.<br />
Um das Phänomen Rousseau voll würdigen zu können, muss man<br />
ihn mit seinem großen Gegenspieler Voltaire vergleichen. Dessen Werke<br />
erscheinen heute bestenfalls zeitgebunden, schlimmstenfalls albern.<br />
Selbst der vielzitierte »Candide« ist nur ein ausgewalzter Witz. Rousseau<br />
dagegen ist eine Herausforderung und ein Genuss geblieben. Er ist<br />
einer der großen Zeitlosen, eine unerschöpfliche Quelle der Inspiration.<br />
So weit, so gut.<br />
�<br />
Rousseaus Lebensweise hatte einen Nachteil: Sie führte den Philosophen<br />
immer tiefer in die »Verinselung«, in die Isolation (von ital. isola =<br />
»Insel«) – seelisch, zeitweise auch räumlich:<br />
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