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Moser, Friedhelm - Kleine Philosophie für Nichtphilosophen.pdf

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Theorie bildete der instinktive Ausdruck von Schmerz, Lust oder Erstaunen<br />

den Ausgangspunkt. Die »Hauruck«-Theorie sieht die Urmenschen<br />

gemeinsam beim Schleppen eines schweren Tierkadavers, das sie<br />

nach Matrosenart durch rhythmischen »Gesang« begleiten. Am romantischsten<br />

klingt die »Tandaradei«-Theorie, des Dänen Otto Jespersen.<br />

Danach entwickelte sich die Sprache beim Spiel und beim Minnedienst,<br />

wo sie das zärtliche Lausen begleitete und allmählich ersetzte.<br />

Über die Ursprache lässt sich wunderbar spekulieren. Alles ist möglich.<br />

Man wird jedoch davon ausgehen dürfen, dass der flämische Arzt<br />

und Philologe Johann G. Becanus auf dem Holzweg war, als er behauptete<br />

(und etymologisch nachwies), das Paradies habe in Deutschland<br />

gelegen, Adam habe akzentfreies Teutonisch gesprochen und auch das<br />

Alte Testament sei ursprünglich deutsch gewesen; erst später habe Gott<br />

– aus welchen Gründen auch immer – die Übersetzung ins Hebräische<br />

in Auftrag gegeben.<br />

�<br />

Im Gegensatz zur Phylogenese, die aus Knochenfunden rekonstruiert<br />

werden muss, lässt sich die Ontogenese am krabbelnden, brabbelnden<br />

Objekt beobachten und mit Tonband und Notizblock dokumentieren.<br />

Trotzdem bleibt der Spracherwerb des Kleinkindes ein Wunder. Zweifellos<br />

wird die Sprache erlernt. Das Kind braucht in den ersten Lebensjahren<br />

jemanden, der mit ihm spricht. Erst dadurch wird jener Prozess<br />

in Gang gesetzt, der den Volkshochschüler aus dem Kurs »Finnisch <strong>für</strong><br />

Anfänger« vor Neid erblassen lässt: Ohne methodischen Unterricht,<br />

ohne Grammatikkenntnisse und Vokabelpaukerei beginnt das Kind irgendwie<br />

zu sprechen. Dreijährige verstehen bereits ca. 3000 Begriffe.<br />

Die enorme Aufnahmefähigkeit <strong>für</strong> Sprache ist offenbar allen Menschen<br />

angeboren. Denn Intelligenzunterschiede spielen kaum eine Rolle.<br />

Das normal begabte Kind spricht vielleicht früher als das spätere<br />

Genie.<br />

Im Jahr 1970 betrat ein 13jähriges Mädchen an der Hand seiner<br />

schwerbehinderten Mutter ein Sozialamt in Los Angeles. Es war völlig<br />

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