02.02.2013 Aufrufe

Moser, Friedhelm - Kleine Philosophie für Nichtphilosophen.pdf

Moser, Friedhelm - Kleine Philosophie für Nichtphilosophen.pdf

Moser, Friedhelm - Kleine Philosophie für Nichtphilosophen.pdf

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Der Psychologe Burrhus F. Skinner setzte je eine Taube in eine Reihe<br />

von Boxen. Diese waren so konstruiert, dass die Tauben zwar beobachtet<br />

werden konnten, selbst aber nur diejenigen Informationen von außen<br />

erhielten, die Skinner ihnen zukommen ließ. Hauptinformation<br />

waren die Futterkörner, die von einem Uhrwerk in gleichen Abständen<br />

in jede Box geworfen wurden. Nun bewegten sich die Tauben natürlich<br />

in ihren Boxen, sie liefen herum, lüfteten die Flügel oder putzten sich.<br />

Folglich traf das Hereinfallen des Futterkorns immer mit irgendeiner<br />

Bewegung zusammen. Früher oder später wollte es der Zufall, dass das<br />

Futterkorn zwei-, dreimal oder noch öfter bei derselben Bewegung einer<br />

Taube eintraf. Nun »lernte« die Taube: »Aha, wenn ich den rechten Flügel<br />

abspreize, kommt Futter. Ich werde also den rechten Flügel von<br />

jetzt an öfter abspreizen.« Obwohl das Uhrwerk unabhängig von den<br />

Bewegungen der Taube ablief, kam es nun immer häufiger zu dem erhofften<br />

Zusammentreffen. Schließlich hielt die Taube den Flügel immer<br />

abgespreizt, so dass jedes Futterkorn sie in dieser Haltung<br />

erwischte. Die Theorie der Taube hatte ihre Bestätigung gefunden.<br />

Skinners Experiment produzierte ausschließlich verrückte Tauben: Eine<br />

drehte sich fortwährend im Kreis, eine schwenkte pausenlos den Kopf,<br />

eine stand nur noch auf dem linken Bein.<br />

Leben auch die Menschen in Skinner-Boxen? Mehr oder weniger.<br />

Wenn der Mensch von der Außenwelt isoliert wird, gestaltet er sich seine<br />

eigene Welt. Diktatoren, die keine Kritiker in ihrer Umgebung dulden,<br />

sind besonders anfällig <strong>für</strong> Realitätsverlust. Eine hermetisch<br />

abgeschlossene Sekte driftet automatisch in den Aberglauben. Selbst<br />

ganze Gesellschaften können den Verstand verlieren, siehe Hexenwahn,<br />

siehe Nationalsozialismus. Solche Systeme des Irrsinns interpretieren<br />

alle Fakten so, dass das jeweilige System erhalten und gefestigt wird. Es<br />

gibt nur ein Heilmittel gegen derlei »Wahrheiten«: eine möglichst uneingeschränkte<br />

Kommunikation.<br />

Fazit: Wir verfügen nicht über eine objektive Realität, mit der wir<br />

unsere Bilder vergleichen könnten. Wir können lediglich überprüfen,<br />

ob sich eine neue Vorstellung mit der Gesamtheit unserer alten, als<br />

– 29 –

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!