Moser, Friedhelm - Kleine Philosophie für Nichtphilosophen.pdf
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DIE ZEIT<br />
ODER DAS UHREN-UNIVERSUM<br />
»Dreifach ist der Schritt der Zeit: Zögernd kommt<br />
die Zukunft hergezogen, pfeilschnell ist die Gegenwart<br />
entflogen, ewig still steht die Vergangenheit.«<br />
(Friedrich Schiller)<br />
»O tempora, o <strong>Moser</strong>!«<br />
(Ein Lateinlehrer)<br />
Kommen Sie mit mir in die Sauna? Lassen Sie uns ein wenig über die<br />
Zeit schwatzen. Die Sauna ist der perfekte Ort da<strong>für</strong>, denn hier zeigt<br />
sich die Zeit im Naturzustand. Auf den Pritschen lagern nackte<br />
menschliche Körper in unterschiedlichen Stadien der Alterung. Haut,<br />
Haare, Hüften tragen die Spuren der Zeit – schauen wir lieber nicht<br />
allzu genau hin. Schauen wir lieber auf die schöne Maserung der Holztäfelung,<br />
und was ist die Maser anderes als Zeit, eingefangen in Jahresringen?<br />
Schließlich hängt neben der Tür eine gläserne Sanduhr mit<br />
einer Laufzeit von schweißtreibenden fünfzehn Minuten. Sehen wir<br />
dem rieselnden Sand ein Weilchen zu ...<br />
Die Zeit verrinnt. Aber wir nehmen sie nur wahr, weil sie zugleich in<br />
unserer Erinnerung gerinnt. Ohne Erinnerung kein Zeitgefühl. Unser<br />
Gehirn archiviert die Zeit und rettet sie vor dem Vergessen – eine Zeitlang.<br />
Ein allgemeineres Zeitarchiv ist die Sprache. Auch in Wörtern<br />
und Redewendungen steckt verronnene, geronnene Zeit. Das Bild des<br />
»Verrinnens« z.B. geht auf jene Zeit zurück, da die Stunden noch mit<br />
Hilfe von Sanduhren gemessen wurden. Das Stundenglas ist seit dem<br />
ausgehenden Mittelalter ein Symbol der Vergänglichkeit, ein eindringliches<br />
memento mori. Auch die Sauna-Sanduhr regt zu allerhand tiefsinnigen<br />
Betrachtungen an: Warum z.B. erscheint uns die zehnte Minute<br />
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