Moser, Friedhelm - Kleine Philosophie für Nichtphilosophen.pdf
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Hesse schrieb:<br />
»Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde<br />
uns neuen Räumen jung entgegen senden,<br />
Des Lebens Ruf an uns wird niemals enden ...<br />
Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!«<br />
�<br />
Bedingt durch den Fortschritt in den Reanimationstechniken, häufen<br />
sich in jüngerer Zeit Berichte, welche diese tröstliche Interpretation<br />
des Todes untermauern. Gut, zugestanden, diese Zeugen waren nicht<br />
ganz tot, aber immerhin einige Zeit hart an der Grenze. Nur noch ein<br />
Finger zwischen Sarg und Deckel, sozusagen.<br />
Die meisten Schilderungen von Wiederbelebten lassen sich auf einen<br />
gemeinsamen Nenner bringen: Der Tod hat keinen Stachel. Im Gegenteil,<br />
der Augenblick des Sterbens wird als unbeschreibliches Glück<br />
empfunden. Der Sterbende tritt aus seinem Körper heraus, er stürzt<br />
durch einen dunklen Tunnel, an dessen Ausgang ihn ein überirdisches<br />
Licht erwartet, ein Gefühl grenzenlosen Friedens, wunschloser Seligkeit<br />
hüllt ihn ein.<br />
Ein Stimme aus dem Jenseits: »Ich kam an einen Ort, und da waren<br />
alle meine Verwandten, meine Großmutter, mein Großvater, ein Onkel,<br />
der kürzlich Selbstmord verübt hatte. Sie alle kamen auf mich zu<br />
und begrüßten mich. Meine Großeltern waren ... ganz in weiß gekleidet<br />
und hatten eine Kapuze auf dem Kopf ... Sie alle sahen gesünder<br />
aus als beim letzten Mal, als ich sie gesehen hatte, ... sehr, sehr glücklich.«<br />
Nun ist ein Wiedersehen mit der ganzen Verwandtschaft vielleicht<br />
nicht in jedem Fall ein Grund <strong>für</strong> Ekstase. Abgesehen davon gibt es aus<br />
Sicht des Biologen berechtigte Einwände gegen metaphysische Folgerungen<br />
aus derartigen Erlebnissen bzw. Ersterbnissen. Selbst wenn die<br />
Berichte subjektiv wahr sind, selbst wenn sich alle derartigen Berichte<br />
gegenseitig stützen, ist dadurch noch nichts bewiesen. Euphorie, Licht-<br />
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