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Moser, Friedhelm - Kleine Philosophie für Nichtphilosophen.pdf

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Es soll Volksstämme geben, die leben heute nicht viel anders als vor<br />

tausend Jahren. Unsere Gesellschaft hingegen wandelt sich permanent.<br />

Das »Neue« ist ein Wert an sich. Wirtschaft und Wissenschaft befinden<br />

sich im endlosen Endspurt. Der Mikrochip gibt das Tempo vor, und<br />

das Tempo ist berauschend. Kein Tag vergeht ohne Durchbruchsmeldung<br />

von der Laborfront, nichts scheint unmöglich.<br />

Wir haben uns an den Geschwindigkeitsrausch schon fast gewöhnt,<br />

und doch grenzt dieses Feuerwerk der Triumphe an ein Wunder. Besonders<br />

dann, wenn man sich klarmacht, dass all diese sagenhaften Errungenschaften<br />

einem Gehirn zu verdanken sind, das sich nur<br />

unwesentlich von dem des Neanderthalers unterscheidet.<br />

Denn im Vergleich zum technischen Fortschritt ist die biologische<br />

Evolution eine Schnecke. Unser Ahnherr homo rudolfensis, dervor2<br />

Millionen Jahren am kenianischen Turkanasee lebte, verfügte über ein<br />

Gehirnvolumen von etwa 700 cm3 . 1,9 Millionen Jahre später, beim<br />

homo sapiens neanderthalensis, waren 1200-1750 cm3 an kleinen grauen<br />

Zellen die Regel. Der homo sapiens philosophus, der momentan an<br />

meinem PC sitzt, dürfte kaum ein nennenswert größeres Gehirn haben.<br />

Die Evolution rechnet in Jahrmillionen. Zehntausend Jahre sind ein<br />

Wimpernschlag. Praktisch heißt das: Die Höhlenmaler von Lascaux,<br />

die Erbauer der Pyramiden und die griechischen Naturphilosophen verfügten<br />

über die gleiche Hirn-Hardware wie Albert Einstein. Nur die<br />

»Programmierung« macht den Unterschied. Der Franzose Auguste<br />

Comte, ein Philosoph des 19. Jahrhunderts, unterschied drei »Programme«<br />

in der Entwicklung des Geistes. Anfangs habe der Mensch die Erscheinungen<br />

der Welt auf göttliches Wirken zurückgeführt. Dies sei das<br />

Stadium der Theologie. Imabstrakten Stadium seien an die Stelle der<br />

Götter und Dämonen die Gesetze der Metaphysik getreten. Im dritten,<br />

dem positiven Stadium, dämmere dem Menschen die Unmöglichkeit<br />

absoluter Erkenntnis; er versuche nicht länger, das nebulöse Wesen der<br />

Dinge zu durchschauen, sondern konzentriere sich auf die Gesetzmä-<br />

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