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Bildung - Alles, was man wissen muss

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98 WISSEN<br />

Michelangelo Buonarotti (1475-1564)<br />

Michelangelos entscheidender Karrieresprung war dramatisch. Er meißelte gerade als<br />

Lehrling an einem Faun, als Lorenzo Medici vorbeikam und kritisch anmerkte, wieso<br />

so ein alter Faun so ein vollständiges Gebiß haben könne. Da haute Michelangelo mit<br />

einem einzigen Hammerschlag dem Faun einen Zahn aus dem Oberkiefer. Aus Begeisterung<br />

über diese Kombination von Temperament und Geschick nahm Lorenzo<br />

ihn in sein Haus auf. Michelangelo ließ sich aber dort in einem Streit sein Nasenbein<br />

zertrümmern. Danach ging er nach Padua und Rom, schuf dort seine marmorne Pieta<br />

(trauernde Maria mit dem toten Christus auf dem Schoß), kehrte nach Florenz zurück,<br />

wo er zwei Jahre lang mit einem Marmorklotz kämpfte, um den in ihm eingeschlossenen<br />

David zu befreien (Kopie steht vor dem Palazzo Vecchio, Original in der<br />

Akademie der Künste in Florenz – unbedingt ansehen) und wurde dann von Papst<br />

Julius II beauftragt, die Sixtinische Kapelle auszumalen. Dort malte er, auf dem Rücken<br />

auf einem Gerüst liegend, an die Decke der Kapelle die berühmten Szenen aus dem<br />

Alten Testament: Die Schöpfung, wie Gott Vater seine rechte Hand ausstreckt und damit,<br />

ihn erschaffend, den schlaffen Finger Adams berührt; den Sündenfall; Noah, wie<br />

er betrunken ist; und vieles mehr und alles im Geiste des Alten Testaments, d.h. prophetisch,<br />

nicht malerisch, sondern plastisch. Und in das Bild der Schöpfung der Welt<br />

läßt Michelangelo die Energie seiner eigenen Schöpfungskraft beim Malen mit einfließen,<br />

die Dynamik, die Kräfte hinter der Geburt einer Welt und die Leidenschaften,<br />

die sich allein in den menschlichen Körpern ausdrücken. Ungefähr 50 weibliche und<br />

männliche Akte enthält die Sixtinische Kapelle, aber keine Landschaften und keine<br />

Pflanzen. <strong>Alles</strong> ist athletische Kraft; Michelangelos muskulöse Körper sind nicht sinnlich,<br />

sondern stark. Als Maler war er ein Bildhauer und als Bildhauer ein Bodybuilder.<br />

Vier Jahre arbeitete Michelangelo an der Decke im ständigen Streit mit dem Papst,<br />

der das Gemälde sehen wollte und Michelangelo drängte, das Gerüst abreißen zu lassen.<br />

Als der sich weigerte, drohte der Papst, ihn vom Gerüst hinunterwerfen zu lassen.<br />

Als er es endlich sah, gestattete er sich zu sterben. Er hatte das gewaltigste Kunstwerk<br />

erblickt, das jemals geschaffen wurde. Michelangelo verzichtete auf alles Pittoreske,<br />

Dekorative, Ornamentale, auf Landschaften, Arabesken, architektonische Hintergründe<br />

und konzentrierte sich nur auf die menschlichen Körper. Seine Bilder atmen den<br />

Geist des Alten Testaments oder des neuen Protestantismus. Sie haben et<strong>was</strong> Düsteres,<br />

für die Renaissance Untypisches, und gerade deshalb wurde Michelangelo einer ihrer<br />

größten Künstler. Wenn er arbeitete, war er besessen. Er vernachlässigte sich und<br />

schlief in seinen Kleidern. Nach der Fertigstellung der Sixtinischen Kapelle war er<br />

vorzeitig gealtert. Trotzdem wurde er fast 90 Jahre alt.

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