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Bildung - Alles, was man wissen muss

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342 WISSEN<br />

sich selbst unerkennbar sei. »Richtig«, sagt Schopenhauer und verwandelt sich für einen<br />

Moment in Descartes, »die Welt ist uns nur in Form unserer illusionären Vorstellung<br />

gegeben, mit einer Ausnahme: das eigene Ich. Das ist uns auch als Ding an sich<br />

gegeben. Ich kenne es von außen und von innen. Und <strong>was</strong> ist das Wesen des Ich? Der<br />

Wille zum Leben. Das Ich als Subjekt ist Wille, das Ich als Objekt seiner eigenen Betrachtung<br />

ist Vorstellung.« Als Schopenhauer so weit gekommen war, nannte er sein<br />

Hauptwerk Die Welt als Wille und Vorstellung. Denn <strong>was</strong> für das »Ich« gilt, gilt auch für<br />

die ganze Realität: Hinter ihrer Außenseite als Vorstellung ist sie Wille. Die Materie,<br />

der Körper sind Objektivierungen des Willens.<br />

Dieser Wille ist eine Variante von Hobbes’ Selbsterhaltungstrieb (^Hobbes). Er ist<br />

blind, grundlos und unersättlich; er offenbart sich in unterschiedlichsten Formen,<br />

vom Magnetismus über organische Stoffwechselprozesse bis zum Bewußtsein (hier<br />

riecht <strong>man</strong> den strengen Geruch Hegels), und er hat nur sich selbst zum Ziel.<br />

Daraus zieht Schopenhauer eine äußerst trübsinnige Folgerung: Da Wille Begierde<br />

ist und Begierde unersättlich, gleicht das Leben einem Kinderhemd: es ist kurz und<br />

beschissen. Hier verwandelt sich Schopenhauer in Hobbes und landet in dessen<br />

schwarzer Anthropologie (Auffassung vom Menschen). Das Leben ist ein Leidensweg<br />

der Unlust, eine via dolorosa, <strong>man</strong> hat nur die Wahl zwischen Angst und Sorge (da<br />

nimmt Schopenhauer Heidegger vorweg).<br />

Zwei Wege führen aus diesem Jammertal heraus:<br />

Der erste verläuft über die interesselose Betrachtung der Kunst (hier übernimmt<br />

Schopenhauer Kants Idee, daß die Kunst die Begierde ruhigstelle). In der Kunst wird<br />

zudem der Schleier der Illusion beiseitegezogen, und der Wille enthüllt sich als überindividuelles<br />

Prinzip hinter den Einzeldingen. Diese Einsicht gewinnen wir am deutlichsten<br />

im Rausch der Musik; dies ist eine Idee, die vor allem Wagner und Nietzsche<br />

und schließlich auch Hitler beeinflußt hat.<br />

Der zweite Weg zur Erlösung führt über die Verneinung und Abtötung des Willens.<br />

Da der Wille das Wesen der Realität ist, liegt das Ziel der Erlösung im Nirwana.<br />

Hier landet Schopenhauers Philosophie im Buddhismus.<br />

Damit dreht Schopenhauer Hegels Geschichtsoptimismus um: Statt die sich steigernden<br />

Formen des Bewußtseins sieht er hinter den Erscheinungsformen nur den<br />

bewußtlosen Lebenstrieb; statt vom Heroismus im Dienst der Geschichte erzählt er<br />

vom sinnlosen Leiden; statt immer Neues sieht er immer das gleiche; statt Geschichte<br />

sieht er Leben, und statt Geburtshilfe bei der Geschichte empfiehlt er, sie zu beenden.<br />

Zwei anti-hegelianische Schulen<br />

Es ist so, als habe Schopenhauer die neuen Glaubenskriege vorhergesehen, die der<br />

Geschichtsoptimismus Hegels in der Form des Marxismus ausgelöst hat, denn oft hört

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